
Mann plus Alkohol gleich Badeunfall: Die meisten Badetoten in Deutschland sind Männer. Selbstüberschätzung und Leichtsinn spielen eine Rolle - und oft auch der Alkohol.
Leichtsinn, Selbstüberschätzung, Unterschätzung der Gefahren im Wasser und Alkoholkonsum: Dies waren die wesentlichen Gründe dafür, warum im vergangenen Jahr in Deutschland so viele Menschen beim Baden ums Leben gekommen sind. 504 Personen waren es nach Zahlen der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Auffällig daran: Die Zahl der Todesfälle schnellte gegenüber dem Vorjahr um 100 Fälle oder 20 Prozent in die Höhe; drei Viertel der Opfer waren Männer. Doch mit dem besonders heißen Sommerwetter allein sei dieser Anstieg nicht zu erklären, sagte DLRG-Präsident Achim Haag damals anlässlich der Jahresbilanz.
Weil auch im laufenden Jahr der Sommer in Deutschland Hitzewerte erreicht, die bisher nur an südländischen Küsten üblich waren, suchen viele Menschen wieder die Abkühlung, um die Sahara-Temperaturen zu ertragen. Dies tut der Gesundheit erst mal gut. Trotzdem lauern beim Baden im Wasser Gefahren – aber das Problem sind offenbar die Menschen, die diese Gefahren nicht richtig einschätzen.
Besonders gefährlich: Ohne Vorabkühlung ins Wasser springen
„Wer nicht richtig schwimmen kann, ohne Abkühlung ins Wasser springt oder die Tücken des Gewässers nicht kennt, geht unnötige Gefahren ein“, sagt Klaus Möhlendick, Sportwissenschaftler bei der Barmer. Möhlendicks Empfehlung: Langsam ins frische Wasser gehen und nicht einfach springen. Denn: Sonst ziehen sich die Blutgefäße zusammen und pumpen in kurzer Zeit zu viel Blut auf einmal zum Herz. Dies belastet die rechte Herzkammer übermäßig und kann zu Rhythmusstörungen führen. Außerdem wird ein Reflex ausgelöst, wenn kaltes Wasser auf das Gesicht trifft. Herzfrequenz und Blutdruck können dadurch rasch abfallen.
Nie mit leerem Magen ins Wasser
Viele Schwimmer unterschätzen offenbar auch Strömungen im Wasser oder plötzlich auftretende Kaltzonen. Dabei ermüde man rascher und benötige sehr viel Energie, sagt Möhlendick: „Auch aus diesem Grund ist es sinnvoll, nicht mit leerem Magen ins Wasser zu gehen, sondern geraume Zeit zuvor etwas zu essen.“ Herrschen dann auch noch über einen längeren Zeitraum hohe Temperaturen oder schwitzt man viel, ist es gut, auch mal etwas Salziges zu essen.
DLRG: „Ertrinken ist ein männliches Problem“
Laut DLRG waren 407 der insgesamt 504 Badetoten Männer. „Ertrinken scheint ein männliches Problem zu sein“, sagt DLRG-Sprecher Achim Wiese. Ursachen seien vielfach Leichtsinn, Risikobereitschaft und Selbstüberschätzung. Dass rund 80 Prozent der Badetoten in Deutschland Männer sind, wird nicht zuletzt mit „maskulinem" Trinkverhalten erklärt. „Keinesfalls sollte man vor dem Schwimmen Alkohol trinken, weil das die Gefäße erweitert. Beim Eintauchen ins Wasser ist dann im Extremfall ein Kälteschock möglich, selbst wenn das Wasser etwa 20 Grad warm ist“, sagt Barmer-Experte Möhlendick.
Deutschland: Immer weniger Leute können sicher schwimmen
Neben Männer im Speziellen wird folgenden Bevölkerungsgruppen im Allgemeinen dazu geraten, beim Baden vorsichtig zu sein: Untrainierten und Senioren, weil ihnen die Kraft schnell ausgeht, oder etwa auch Menschen mit Herzproblemen. Und: unerfahrenen Schwimmer oder gar nicht Nichtschwimmern. Die DLRG weist darauf hin, dass im hochzivilisierten Industrieland Deutschland noch immer ein beachtlicher Teil der Bevölkerung offenbar nicht schwimmen kann. Mehr noch: Die Schwimmfähigkeit sei sogar rückläufig, vor allem bei den Schulkindern und damit einer ganzen nachwachsenden Generation. Nach Angaben der DLRG sind rund 60 Prozent der 10-jährigen keine sicheren Schwimmer. „Wer schlecht oder nicht schwimmen kann, sollte unabhängig vom Alter nie allein oder unbeaufsichtigt ins Wasser gehen“, rät deshalb Barmer-Sportexperte Möhlendick.
Nur fünf Prozent der Badetoten gab es am Meer
Anders als man erwarten mag, ereignen sich die meisten tödlichen Badeunfälle nicht in den eher wilden maritimen Gewässern der Nord- und Ostsee, sondern im Binnenland: 161 Menschen ertranken in Flüssen, 233 in Seen. Eine Erklärung dafür: Binnengewässer werden in den seltensten Fällen von Rettungsschwimmern bewacht. „Das Risiko, zu ertrinken, ist hier deutlich höher", sagt DLRG-Präsident Haag. Ein schlichtes Badeverbotsschild halte die wenigsten davon ab, hier ins Wasser zu gehen. An deutschen Meeresküsten, die zugleich stärker von Rettungsschwimmern bewacht sind, starben im Jahr 2018 25 Menschen, 21 davon in der Ostsee.
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