Wie gesund ist Mittagsschlaf?

Der Mittagsschlaf im Büro kann Leistungstiefs auffangen, die Konzentrationsfähigkeit stärken und die Kreativität ankurbeln. Schlafmediziner sagen: Er verlängert sogar die Lebenserwartung. – Foto: AdobeStock/contrastwerkstatt
Mittagspause. Mit netten Kollegen Mittag essen gehen, bis der Magen wohlig gefüllt ist. Und dann? Vielen fallen dann die Augen zu – ein Königreich für ein Mützchen Schlaf! Anders als etwa in Südeuropa gilt das natürliche Bedürfnis nach einem erholsamen Mini-Schläfchen zur Mittagszeit in Deutschland aber als eher verpönt und hat keinen festen Platz in der Alltagskultur.
Dabei kommt das Wort „schlaftrunken“, das den Zustand auch im Biorhythmus-Tief der Tagesmitte trefflich beschreibt, nicht von ungefähr. Wer tagsüber vom Schlaf übermannt wird, büßt an Konzentrationsfähigkeit ein und macht mehr Fehler. Wie ernstzunehmend das Thema ist, zeigt der Straßenverkehr. Schlafmediziner sagen: Aufgrund von Sekundenschlaf sterben mehr Menschen am Steuer als infolge von Alkoholkonsum. Aber so sehr man Lust auf ihn hat: Ist ein Mittagsschlaf auch automatisch gesund und macht er wirklich wieder fit?
„Schlafmangel macht krankheitsanfällig, depressiv, dick“
„Natürlich“, sagt Ingo Fietze, Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Berliner Charité und gesellschaftskritischer Sachbuchautor. In seinem Buch „Die übermüdete Gesellschaft – wie Schlafmangel uns alle krank macht“, schreibt der Internist und Schlafwissenschaftler: „Rund 80 Prozent aller deutschen Arbeitnehmer leiden an Schlafstörungen – die meisten schaffen sich ihr Leid selber: zu spätes Zubettgehen, zu frühes Aufstehen, zu viel Internet-Aktivität im Schlafzimmer, zu viel Arbeits-Mails-Checken nach Feierabend.“ Die Folgen für die Gesundheit seien alarmierend: „Schlafmangel macht uns krankheitsanfällig, depressiv, dick und unkonzentriert.“
Mittagsschlaf: Wacherer Geist, bessere Nerven
Auch wenn sich der Körper normalerweise den größten Teil der Erholung nachts im Schlaf holt, wäre es eine übermenschliche Leistung für uns, den ganzen Tag lang ohne Pause zu 100 Prozent zu „funktionieren“. Leistungstiefs sind deshalb ganz natürlich. Der Mittagsschlaf kann helfen, einen im Leistungstief aufzufangen, die Batterien wieder aufzuladen – und der Gesundheit etwas Gutes zu tun. Nach dem Aufwachen ist man ausgeruht, kreativer und konzentrierter. Und stabiler – und kann, dank des dickeren Fells, zum Beispiel nervige Kollegen besser aushalten. Im Schlaf baut der Körper Stress ab. Dies gilt selbst für den – ja meist nur kurzen – Mittagsschlaf. Dem Menschen beschere er Wachheit für die nächsten drei bis vier Stunden, bestätigt Schlafmediziner Fietze.
„Mittagsschlaf erhöht die Lebenserwartung“
Außerdem stärkt der Mittagsschlaf die Gedächtnisleistung – mit gleich zwei positiven Effekten: Eben Gelerntes findet leichter einen Platz im Gedächtnis; und auf bereits Gespeichertes kann man leichter zugreifen. „Wenn wir regelmäßig einen Mittagsschlaf halten, dann erhöhen wir unsere Lebenserwartung“, sagt Schlafforscher Hans Günter Weeß im Radiosender SWR1. „Denn das Risiko für Herzkreislauferkrankungen reduziert sich – Herzinfarkte sind dann seltener.“
Mittagsschlaf – wann ist der ideale Zeitpunkt?
Experten empfehlen, den Mittagsschlaf gleich nach dem Mittagessen zu machen oder am frühen Nachmittag. „Wann man seine Tiefs hat, hängt damit zusammen, welcher ‚Chronotyp‘ man ist“, sagt Apotheker Clemens Reuther: „ob man 'Lerche' oder 'Eule' ist – also Frühaufsteher oder Abendmensch.“
„Lerchentyp" und „Eulentyp": Zwei Zeiten fürs Mittagstief
Der Frühaufsteher („Lerchen-Typ“) startet morgens hellwach in den Tag und ist schon in den Morgenstunden leistungsfähig. Dafür kommt sein auch Tief früher, in aller Regel zwischen 12 und 14 Uhr. Menschen vom „Eulen-Typ“ dagegen kostet es Zeit und Mühe, bis sie ihre volle Geschäftsfähigkeit erreicht haben. So sehr sich die Eulen am frühen Morgen schwertun, so konzentrierter arbeiten sie oft noch am späten Abend, wenn die Frühaufsteher schon lange die Segel gestrichen haben. Das Leistungstief dieser Abendmenschen tritt entsprechend später ein, zwischen 16 und 18 Uhr. Wichtig dabei: Menschen, die unter einer Schlafstörung leiden, wird empfohlen, nicht zu lange und nicht zu spät Mittagsschlaf zu machen, weil sich dadurch das Bedürfnis, am Abend zu schlafen, verringern kann.
40 Minuten maximal, sonst „schläft man sich müde“
„Ein ‚Power Nap‘ zwischen 10 und 20 Minuten wird als ideal erachtet, um nach einem Mittagsschlaf wieder schnell wach und leistungsfähig zu sein“, schreibt die „Stiftung Gesundheitswissen“ in einer Patienteninformation, für die sie eine Meta-Studie zum Thema ausgewertet hat. Als Maximum gibt Schlafmediziner Fietze 40 Minuten an. Der Grund: Sonst kommt man in die Tiefschlafphase und „schläft sich müde“ – mit der Folge, dass man dann 30 bis 60 Minuten braucht, bis man geistig wieder voll da ist. Einfache Tricks, um die 40-Minuten-Grenze einzuhalten: sich entweder einen Wecker stellen – oder im Sitzen schlafen. Dann wacht man automatisch innerhalb dieser Zeitspanne auf.
Wachheit für die nächsten drei bis vier Stunden
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, bringt ein Nickerchen am Mittag Wachheit für die nächsten drei bis vier Stunden, sagt Fietze. Um die 40-Minuten-Grenze einzuhalten, sollte man sich entweder einen Wecker stellen oder im Sitzen schlafen – dann wacht man automatisch innerhalb dieser Zeitspanne auf.