
Ein Delir ist nicht ungefährlich. Es können Hirnzellen untergehen
Hohes Fieber, Operationen oder schweren Erkrankungen können zu akuten Verwirrtheitszuständen führen. Patienten fantasieren dann, sind schläfrig, nicht mehr orientiert und meist auch nicht mehr ansprechbar. Gelegentlich können auch Wahnvorstellungen dazukommen. Ärzte nennen diesen Zustand Delir. Ältere Menschen sind besonders gefährdet, jedoch kann ein Delir in jedem Alter auftreten, auch bei Kindern.
Aber was passiert dabei eigentlich im Kopf? „Bei Verletzungen, schweren Erkrankungen oder Operationen ist immer auch das Gehirn betroffen: Es wird von Entzündungs-Botenstoffen geflutet, hat vielleicht selbst Schaden erlitten, die Regelmechanismen geraten durcheinander. Es kann dann zu einer akuten Verschlechterung der Hirnfunktion kommen, dem Delir“, erklärt Anästhesistin Dr. Rebecca von Haken vom Universitätsklinikum Heidelberg. Kurzum: Es entsteht Chaos im Kopf.
Hirnzellen gehen unter
Wird nicht gehandelt, kann das Gehirn dauerhaft geschädigt werden. „Das Delir als ernstzunehmende Erkrankung des Gehirns wurde sehr lange unterschätzt und wenig beachtet. Doch inzwischen setzt sich die Erkenntnis durch, wie wichtig ein Präventionskonzept und eine schnelle Diagnose sind, um bleibende Schäden zu vermeiden oder zu minimieren“, weiß von Haken. „Ziel muss es immer sein, das Delir schnell zu erkennen und in den Griff zu bekommen. Denn je länger es andauert, desto mehr Hirnzellen gehen unter. Für ältere Patienten steigt so das Risiko der Pflegebedürftigkeit.“
Delir schnell erkennen und beenden
Wichtigster Punkt ist also, ein Delir richtig zu diagnostizieren. Bei Säuglingen, Kleinkindern und älteren Menschen, die vielleicht zusätzlich unter einer Demenz leiden, ist das nicht so einfach. Am Universitätsklinik Heidelberg werden spezielle Diagnose-Scores eingesetzt. Diese Checklisten setzen sich jetzt erst allmählich durch.
Wichtig für Diagnose, Behandlung und Nachsorge des Delirs sei zudem eine gute interdisziplinäre und multiprofessionelle Zusammenarbeit, meint Dr. von Haken. Hier komme vor allem den Pflegekräften eine zentrale Rolle zu, da sie am meisten Kontakt zum Patienten haben. „Außerdem empfiehlt es sich, die Familie früh ins Boot zu holen: Vertraute Personen helfen den Patienten bei der Re-Orientierung“, erläutert Dr. von Haken. Hilfreich seien zudem ein möglichst ungestörter Tag-Nacht-Rhythmus auch auf der Intensivstation und eine frühe Mobilisation, etwa durch die Physiotherapeuten der Klinik.
Insbesondere für Angehörige sei es wichtig, vorbereitet zu sein, Anzeichen zu erkennen und anzusprechen – "sie kennen den Patienten besser als die Stationsteams und bemerken Auffälligkeiten eher“, so die Ärztin.
Gute Vorbereitung senkt Risiko
Vermeiden lässt sich ein Delir zwar nicht, aber präventive Maßnahmen können das Risiko reduzieren. „Ein informierter oder sogar geschulter Patient, der etwa weiß, was ihn auf der Intensivstation erwartet, hat weniger Stress, sein Gehirn kann die Eindrücke besser verarbeiten. Das könnte einer Traumatisierung vorbeugen, meint von Haken „und damit auch das Risiko eines Delirs senken.“
foto: pixabay