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Wie Freundschaften unser Gehirn verändern

Dienstag, 26. März 2019 – Autor: anvo
Unser Lebensstil hinterlässt Spuren im Gehirn - das ist nicht verwunderlich. Doch Forscher haben nun untersucht, welche Faktoren wie stark wirken. Das Fazit: Soziale Kontakte, Sport und Alkohol wirken sich direkt auf die Gehirnstruktur aus, Rauchen eher indirekt.
Lebensstil, Gehirnstruktur, soziale Kontakte, Sport, Alkohol

Unser Lebensstil lässt sich auch in unserer Gehirnstruktur ablesen

Forscher wollten herausfinden, wie stark sich eine gesunde beziehungsweise ungesunde Lebensführung nicht nur auf den Körper auswirkt, sondern sich auch im Gehirn widerspiegelt. Einige Ergebnisse wurden erwartet, beispielsweise dass sich Alkohol negativ auf die Gehirnstruktur auswirkt und mit einem vorzeitigen Verlust von Nervenzellen einhergehen kann. Überraschender war für die Wissenschaftler hingegen, wie stark sich soziale Kontakte wie beispielsweise Freundschaften auf das Gehirn auswirken. So ließ sich erstaunlich klar am Denkorgan ablesen, wie stark ein Mensch in sein soziales Umfeld eingebunden ist.

Gehirnstruktur und Lebensführung in Beziehung gesetzt

Für die Studie analysierten Professorin Svenja Caspers sowie Nachwuchswissenschaftlerin Nora Bittner vom Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM-1) gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Jülich, Düsseldorf, Essen und Basel die Daten von 248 Frauen und 301 Männern im Alter von 55 bis 85 Jahren. Hierbei konnten sie sowohl auf Kernspinaufnahmen der Gehirne als auch auf einen umfangreichen Datensatz zu der Lebenssituation der Probanden zurückgreifen. Die Basis hierfür bilden die Informationen, die während der Jülicher 1.000-Gehirne-Studie und zur Essener Heinz-Nixdorf-Recall-Studie erhoben wurden.

Für die aktuelle Arbeit wurden die Faktoren soziales Umfeld, Alkohol- und Tabakkonsum sowie körperliche Aktivität berücksichtigt. „In bisherigen Studien wurde meist nur ein einzelner dieser Aspekte beleuchtet“, betont Prof. Caspers. „Unser Datensatz erlaubt es jedoch, alle vier Aspekte gleichzeitig in jedem einzelnen Probanden zu betrachten und dabei auch Effekte aufzudecken, die erst durch das Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren zustande kommen.“

 

Reges Sozialleben wirkt sich positiv auf Gehirnstruktur aus

„Sport, soziale Kontakte und Alkohol wirken sich nach unseren Ergebnissen direkt auf die Gehirnstruktur aus“, erklärt Nora Bittner. „Die graue Substanz in bestimmten Regionen des Gehirns ist zum Beispiel bei Menschen, die in einem regen sozialen Umfeld leben, besser erhalten, als bei Menschen, die wenig soziale Kontakte haben. Auch sportlich aktive Menschen zeigen im Alter einen geringeren Volumenverlust des Gehirns als inaktive Zeitgenossen, belegen weitere Studien.“

Ein hoher Alkoholkonsum wirke sich hingegen negativ auf die Gehirnstruktur aus, gehe also mit einem Gehirnabbau und dem Verlust von Nervenzellen einher, so die Wissenschaftlerin. Sowohl die Reduktion von Nervenzellen als auch des Gehirnvolumens gelten im Alter als mitverantwortlich für eine geringere geistige Leistungsfähigkeit und Flexibilität.

Rauchen scheint kognitive Reserven aufzubrauchen

Etwas anders wirkt sich das Rauchen aus: Offenbar beeinflusst Tabakkonsum Rauchen weniger die Gehirnstruktur, sondern vielmehr die Gehirnfunktion. „Es zeigte sich, dass die sogenannte funktionelle Konnektivität, also die gezielte Zusammenarbeit von Hirnregionen untereinander, im ruhenden Gehirn bei Rauchern höher ist als bei Nichtrauchern“, so Nora Bittner. „Wir gehen davon aus, dass dadurch die kognitive Reserve bei Rauchern geringer ist, da die betreffenden Regionen schon im Ruhezustand auf Hochtouren laufen und damit kein Leistungspuffer mehr frei ist“, erklärt die Forscherin.

„Unsere Forschungsergebnisse zeigen eindrucksvoll, dass allgemeingültige Aussagen zu einer gesunden Lebensführung sich auch anatomisch und funktionell im Gehirn widerspiegeln“, betont Caspers. Ergänzend untersuchte das Team auch genetische Veranlagungen, die mit einem erhöhten Rauchverhalten beziehungsweise Alkoholkonsum einhergehen. „Zusammen mit unseren Kollegen aus der Genetik konnten wir belegen, dass die Erbinformationen offensichtlich eine nebensächliche Rolle spielen. Wichtiger als die pure Veranlagung ist also das tatsächliche Verhalten“, hebt Bittner hervor.

Resultate eröffnen neue Forschungsfragen

Durchaus überrascht war das Forscherteam von der starken Korrelation zwischen sozialer Interaktion wie beispielsweise dem Pflegen von Freundschaften und einer ausgeprägten Hirnstruktur. „Der positive Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und geistiger Leistungsfähigkeit ist schon länger bekannt und gut belegt“, sagt Caspers. „Dass nun ein intensives oder geringes Sozialleben ebenfalls deutliche Spuren im Gehirn hinterlässt, eröffnet eine Vielzahl von neuen Forschungsfragen.“ Dazu gehöre zum Beispiel die Frage, ob sich Sport in der Gruppe anders auf die geistige Leistungsfähigkeit und ein gesundes Altern auswirke als der einsame Waldlauf. Die Forscher hoffen, weitere Antworten zu diesem Thema zu finden. Die Ergebnisse der Studie wurden in der „Nature Communications“ veröffentlicht.

Foto: © Alexandr Mitiuc - Fotolia.com

Hauptkategorien: Prävention und Reha , Medizin
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