Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Wespenstiche: Allergiker müssen Adrenalin-Injektor bei sich haben

Sonntag, 19. August 2018, aktualisiert: 04.09.2020 – Autor: Anne Volkmann
Wespenstiche sind schmerzhaft, doch meist harmlos. Für Allergiker können sie jedoch lebensgefährlich sein. Betroffene müssen daher immer einen Adrenalin-Injektor bei sich tragen. Doch nur wenige Betroffene haben solch ein Notfallset zur Hand.
Anaphylaxie, Adrenalin, Autoinjektor, Allergie, allergischer Schock, Wespen

Für Allergiker kann die Selbstbehandlung mit einem Adrenalin-Autoinjektor lebensrettend sein

Für die meisten Menschen sind sie nur lästig und stören das gemütliche Essen oder Trinken im Freien: Wespen. Doch für Allergiker können sie sogar gefährlich werden. Im schlimmsten Fall droht ihnen ein anaphylaktischer Schock.

Die Anaphylaxie ist die häufigste und oft lebensbedrohliche Notfallsituation in der Allergologie. Dabei handelt es sich um eine allergische Sofortreaktion. Das wichtigste Mittel zur Akutbehandlung ist Adrenalin. Außerhalb der Intensivmedizin ist die intramuskuläre Applikation von Adrenalin mittels eines Autoinjektors die Methode der Wahl, vor allem bei mittelschweren Reaktionen.

Doch zu wenige Patienten haben einen solchen Injektor. Das stellten Forscher in einer Übersichtsarbeit fest, die sie im „Deutschen Ärzteblatt“ veröffentlichten. Insgesamt bewerteten die Wissenschaftler die Versorgung von Anaphylaxiepatienten als positiv, stellten jedoch auch erhebliche Defizite in der weiterführenden Diagnostik, der Verschreibung von Notfallmedikamenten und in der Schulung im Umgang mit dem Autoinjektor fest.

Bei 50 Prozent sind die Atemwege betroffen

Die häufigsten Anaphylaxie-Auslöser sind Insektengifte (z.B. durch Wespen- oder Bienenstiche), Nahrungsmittel (vor allem Hülsenfrüchte, Nüsse und Früchte) sowie Arzneimittel. Anaphylaktische Reaktionen gehen mit einer Vielzahl unterschiedlicher Symptome einher, die in unterschiedlicher Ausprägung auftreten können. Am häufigsten kommt es zu Beginn zu subjektiven Allgemeinsymptomen und Hauterscheinungen, manchmal mit Kribbelgefühlen an Handflächen und Fußsohlen. Danach treten bei etwa einem Viertel der Betroffenen Übelkeit und Erbrechen auf, bei einigen kolikartige Magenschmerzen oder Durchfall.

Bei etwa der Hälfte der Patienten sind die Atemwege betroffen, zum Beispiel in Form einer Verengung der oberen Luftwege oder als asthmatische Bronchokonstriktion. Eine anaphylaktische Reaktion kann sich auch auf das Herz-Kreislauf-System auswirken und Tachykardien und Blutdruckschwankungen auslösen. Schließlich kann es sogar zum anaphylaktischen Schock kommen.

Tödliche Ausgänge durch eine Anaphylaxie sind selten. Ursachen dafür können ein Kreislaufschock, ein kardiogener Schock durch Herzversagen (auch Arrhythmie, Myokardinfarkt), eine Obstruktion der oberen Luftwege (Larynxödem) oder ein schwerer Asthmaanfall mit Bronchokonstriktion sein.

Adrenalin wichtigstes Mittel gegen Anaphylaxie

In der medikamentösen Therapie einer Anaphylaxie ist Adrenalin von zentraler Bedeutung. Bei leichteren Reaktionen kommen auch Antihistaminika (H1-Antagonisten) zum Einsatz. Glukokortikosteroide wiederum dienen zur Verhinderung von Spätphasenreaktionen. Die Autoren der Übersichtsarbeit erklären, es sei Konsens, dass Adrenalin in der Anaphylaxiebehandlung wirksam ist, auch wenn placebokontrollierte prospektive Studien fehlen, die ethisch auch nicht vertretbar wären.

Autoinjektoren, welche die Patienten immer bei sich haben, sind deshalb so wichtig, weil sich die meisten anaphylaktischen Notfälle außerhalb von Krankenhaus oder Arztpraxis ereignen und sofort behandelt werden müssen. Ein Notfallset zur Selbstmedikation enthält Antihistamin, Glukokortikoid- und Adrenalin-Autoinjektoren. Diese können in Dosis, Haltbarkeit und Nadellänge variieren und sind daher nicht einfach austauschbar, warnt das Autorenteam. Um die Injektoren für die intramuskuläre Gabe richtig anzuwenden, bedarf es etwas Übung. Auf diese notwendige Beratung sollten Ärzte ihre Patienten hinweisen.

Kardiovaskuläres Risiko durch Adrenalin-Injektion eher gering

Untersuchungen zeigen, dass es nach intramuskulärer Applikation sehr schnell zu ausreichenden Adrenalin-Plasmaspiegeln kommt. Diese systemische Verfügbarkeit erfolgt wesentlich schneller als nach inhalativer oder subkutaner Gabe. Gleichzeitig ist die Gefahr von Überdosierungen und damit das Risiko schwerer kardialer Nebenwirkungen geringer als nach intravenöser Anwendung. Trotz der positiven Hinweise und der Plausibilität eines Effekts von Adrenalin setzt sich die intramuskuläre Adrenalin-Applikation in Deutschland nur langsam durch; selbst bei schweren Reaktionen wird Adrenalin nur in 20 Prozent der Fälle als Erstmaßnahme gegeben, so die Autoren der Meta-Analyse.

Die Adrenalin-Wirkungen werden vom Patienten unmittelbar wahrgenommen und können zu Angstzuständen, Unruhe, Herzklopfen, Blässe, Zittern und Kopfschmerz führen. Das sind jedoch nur Anzeichen für die Wirkung des Medikaments. Die Gefahr von Adrenalin-Überdosierung oder -Nebenwirkungen ist im Kindesalter gering, bei Erwachsenen und älteren Patienten mit kardiovaskulären Grunderkrankungen jedoch unbedingt zu berücksichtigen

Adrenalin-Autoinjektor zu selten verschrieben

Das Hauptproblem vieler Betroffener: Ihnen wird kein Adrenalin-Autoinjektor verschrie­ben. Nach einer erfolgreichen Versorgung im Krankenhaus gehen die meisten Patienten ohne Informationen für ein weiteres Management und ohne Notfallset wieder nach Hause. Eine Studie aus Belgien zeigt, dass in einem großen Krankenhaus zwar die Akutbehandlung hervorragend ablief, aber lediglich neun Prozent der Betroffenen eine Aufforderung zur Allergiediagnostik oder einen Adrenalin-Autoinjektor erhielten. Ähnliches wurde schon 1995 in München anhand von Notarzteinsätzen erfasst. Damals wurden circa 70 Patienten mit schwerer Anaphylaxie nach Insektenstichen akut behandelt. Alle Patienten überlebten, aber nur 10 Prozent von ihnen erhielten Informationen für das weitere Management oder ein Notfallset.

Die Autoren der Übersichtsarbeit beurteilen die Versorgung von Anaphylaxiepatienten insgesamt als positiv. Sie bemängeln jedoch erhebliche Lücken in der weiterführenden Diagnostik, der Verschreibung von Notfallmedikamenten sowie in der Instruktion und Schulung. Ärzte sollten daher auf das Anaphylaxieproblem und insbesondere die Möglichkeit der intramuskulären Gabe mittels Adrenalin-Autoinjektor zur Selbstmedikation aufmerksam gemacht werden. Auch Schulungen im Umgang mit dem Injektor sollten wesentlich öfter angeboten werden.

Foto: © oldmn - Fotolia.com

Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Allergie , Versorgungsforschung

Weitere Nachrichten zum Thema Anaphylaxie

18.08.2019

Mückenstiche sind in der Regel harmlos. Quälend kann allerdings der daraus resultierende Juckreiz sein. Verschiedene Hausmittel und Salben können dann helfen. Das Wichtigste ist, nicht an der betroffenen Stelle zu kratzen.

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin