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Werden in Deutschland zu viele Prostatektomien durchgeführt?

Mittwoch, 4. Juni 2014 – Autor:
In Stockholm wurden vorläufige Ergebnisse der HAROW-Studie präsentiert – eine Studie, die über 3.000 Krankheitsverläufe des Prostatakarzinoms dokumentiert und auch die Notwendigkeit der Prostatektomien auf den Prüfstand nimmt. Experten halten die Interpretation der Daten jedoch für verfrüht.
Werden in Deutschland zu viele Prostatektomien durchgeführt?

Harow-Studie: Übertherapien beim Prostatakarzinom nicht ausgeschlossen

Auf dem Kongress der European Association of Urology (EAU) in Stockholm Mitte April wurden erstmals Daten der sogenannten HAROW-Studie präsentiert. Es handelt sich dabei um die bislang größte urologische Versorgungsstudie zum Prostatakarzinom im deutschsprachigen Raum. An der HAROW-Studie nahmen 3.169 Patienten teil, die in 263 urologischen Praxen in Deutschland über fünf Jahre rekrutiert wurden. Der Initiator der Studie, die Stiftung Männergesundheit, gab bekannt, die neuen Daten bestätigten, dass die „Aktive Überwachung“ („Active Surveillance“) beim Niedrig-Risiko-Prostatakarzinom nicht mit einem schlechteren Outcome einhergehe als invasive Verfahren wie die radikale Prostatektomie oder die Bestrahlung. Gleichzeitig wiesen die Studienleiter auf die Nebenwirkungen der invasiven Therapien hin: „Ein nicht unerheblicher Teil erleidet infolge der Operation jedoch Störungen der Blasenentleerung und der Potenz. Beide Komplikationen können die Lebensqualität beträchtlich und dauerhaft einschränken. „ Die Studienleiter interpretierten die Daten so, dass in Deutschland zu wenig „defensive“ Behandlung in Form von aktiver Überwachung erfolge.

Kritik an Schlussfolgerungen aus Harow-Studie

Jetzt hat sich die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) zu Wort gemeldet und vor voreiligen Schlussfolgerungen gewarnt. Die Studie könne bislang nicht viel mehr liefern als die Rohdaten der registrierten Patienten, kritisierte Prof. Dr. Oliver Hakenberg, Generalsekretär der DGU. „Die Nachbeobachtungszeit für die registrierten Active Surveillance -Patienten ist mit 1,84 Jahren viel zu kurz, um überhaupt etwas zum Verlauf des Prostatakarzinoms aussagen zu können“, so Hakenberg. „Dennoch wird die Active Surveillance als sehr gute Therapieoption gelobt und gleichzeitig in der Presserklärung eine höhere Vergütung für die Urologen gefordert, die Active Surveillance durchführen.“ Was das eine mit dem anderen wissenschaftlich verbinde, bleibe jedoch unklar.

Nach Auffassung der DGU sei es das erklärte Ziel der Studie, die „defensive“ Behandlung des lokalisierten Prostatakarzinoms mit niedrigem Risiko zu propagieren, da angeblich in Deutschland zu oft unnötig operiert oder bestrahlt werde. „Das erhoffte Studienergebnis sollte nicht mit dem tatsächlichen Studienergebnis gleichgesetzt werden und schon gar nicht, bevor die mehrjährige Beobachtungszeit, die notwendig ist, um überhaupt von Ergebnissen zu sprechen, auch nur annähernd erreicht ist, meinte DGU-Sprecher Hakenberg.

Prostatektomie: Aktive Überwachung für viele Patienten eine Alternative

Die aktive Überwachung wird Männern mit nicht aggressivem Prostatakarzinom empfohlen. Jedoch entscheiden sich viele für eine radikale Prostatektomie. Die Stiftung Männergesundheit schreibt: „Die sehr häufig durchgeführte radikale Prostatektomie – auch bei nicht aggressivem Prostatakarzinom – kann als Übertherapie und als Fehlentwicklung empfunden werden. Dabei bieten sich bei diesen kleineren Tumoren alternative Strategien an.“ Mit der HAROW-Studie wollen die Studienleiter unter anderem herausfinden, ob sich beim lokal begrenzten Prostatakarzinom radikale Prostatektomien zum Teil vermeiden lassen. Derzeit werden etwa 80 Prozent der Männer mit lokal begrenztem Prostatakarzinom operiert.

Foto: © Kzenon - Fotolia.com

Hauptkategorien: Gesundheitspolitik , Medizin
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