
Obwohl HNO-Operationen vergleichsweise kleine Eingriffe darstellen, können sie zu chronischen Schmerzen führen. – Foto: AdobeStock/Africa Studio
Schmerzen nach einer Operation zu haben: Das ist unvermeidlich, aber es ist auch nachvollziehbar. Die Akutschmerztherapie direkt nach einer Operation zielt darauf ab, Ausmaß und Dauer der Schmerzbelastung effektiv zu verringern. Dies geschieht aber nicht allein, um für Patienten das Leben erträglicher zu machen, sondern auch aus ganz konkreten medizinischen Gründen: Postoperative Schmerzen können den Genesungsprozess verzögern und zu Komplikationen führen. Ein häufig unterschätztes Problem ist dabei ist offenbar die Gefahr, dass der Schmerz chronisch wird und die Lebensqualität langfristig beeinträchtigt. Das ergibt sich aus einer Studie des Universitätsklinikums Jena.
Jena: Weltweit größte Post-OP-Schmerzdatenbank
Die Forscher haben nach eigenen Angaben erstmals Langzeitdaten zu postoperativen Schmerzen in der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde analysiert. Dabei stellten sie einen Zusammenhang fest zwischen den beiden Sorten Schmerz, die nach einer Operation auftreten können: kurzfristiger und längerfristiger, „akuter“ und „chronischer“. Der Studie zufolge war die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung chronischer Schmerzen in der Folgezeit erhöht, wenn die Patienten bereits am Tag nach der OP an sehr starken Schmerzen litten. Grundlage für die Analyse ist einer Jenaer Besonderheit: Mit den dort angesiedelten Schmerzregistern namens QUIPS und PAIN-OUT verfügt die Thüringer Hochschule über die weltweit größte Datenbank für postoperative Schmerzen.
Chronische Schmerzen auch nach „kleinen“ HNO-OPs
In einer früheren Studie des Registers erwiesen sich kleine und häufige Operationen, darunter auch Eingriffe in der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde wie die Entfernung der Gaumenmandeln oder der Schilddrüse, als vergleichsweise schmerzhaft. Nun wurden erstmals Langzeitdaten zum Schmerz nach HNO-Operationen analysiert. Etwa 200 Patienten schätzten dazu ihre Schmerzbelastung sowohl am ersten Tag nach dem Eingriff, als auch sechs und zwölf Monate später ein. „Etwa zehn Prozent der Operierten klagten auch ein Jahr nach dem Eingriff noch über erhebliche Schmerzen im OP-Gebiet und mussten Schmerzmittel nehmen“, fasst Studienkoordinatorin Katharina Geißler das Ergebnis zusammen. „Es kann also auch nach HNO-Operationen, die ja in der Regel eher kleinere Eingriffe darstellen, zu einer Chronifizierung der Schmerzen kommen.“
Chronische Schmerzen als OP-Folge offenbar unterschätzt
Die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung chronischer Schmerzen, so ein weiteres Ergebnis der Studie, war erhöht, wenn die Patienten am ersten postoperativen Tag hohe Schmerzwerte berichtet hatten. „Damit spielt eine gute Schmerztherapie nach HNO-Operationen nicht nur zur Bekämpfung des Akutschmerzes eine wichtige Rolle, sondern auch zur Prävention der Chronifizierung“, sagt Orlando Guntinas-Lichius, Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde des Universitätsklinikums Jena. Seine Aufforderung an seine Mediziner-Kollegen: „Zukünftig sollte den chronischen postoperativen Schmerzen und deren Therapie mehr Bedeutung gegeben werden.“
„Unzureichende Versorgung von Schmerzpatienten"
Chronische Schmerzen jenseits von OPs sind Schmerzen, bei denen meist keine organische Ursache aufspürbar ist. Solche Patienten haben oft einen langen Leidensweg, irren von Arzt zu Arzt und finden doch keine Heilung. Die Deutsche Schmerzgesellschaft kritisiert schon seit Jahren eine unzureichende Versorgung von Schmerzpatienten in Deutschland. Patienten mit chronischen Schmerzen bekämen häufig zu viele Medikamente verschrieben, Bewegungstherapien würden dagegen vernachlässigt. Um Schwachstellen bei der Therapie aufzuspüren und abstellen zu können, hat die Schmerzgesellschaft zusammen mit der Krankenkasse Barmer im Jahr 2018 das Projekt „PAIN2020" ins Leben gerufen.