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Wenn Kinder Tabletten verschlucken – was tun?

Montag, 21. Februar 2022 – Autor:
Kleine Kinder sind neugierig und erforschen die Welt, indem sie Dinge in die Hand und dann in den Mund nehmen. Weil Pillen gegen Krankheiten in jedem Haushalt vorhanden sind, tut sich hier eine Gefahrenquelle auf: Wo Erwachsene Arzneimittel sehen – sehen Kinder Bonbons. Tipps der „Stiftung Kindergesundheit“ für Eltern und Großeltern, wie man im „Fall X“ richtig reagiert.
Kleiner Junge nascht irrtümlicherweise an Arzneimitteln.

Medikamente werden von Kindern leicht mit Süßigkeiten verwechselt. Deshalb sollten sie nie als „Bonbons" bezeichnet werden – selbst dann nicht, wenn das Kind sie selbst einnehmen muss und man ihm die Einnahme erleichtern will. – Foto: AdobeStock/S.Kobold

Medikamente gehören zum Alltag vieler Familien und leisten meist gute Dienste bei Fieber, Schmerzen und bei vielen weiteren Erkrankungen. „Doch die bunte Herztablette in Omas Handtasche oder die Blutdruckpille auf dem Nachttisch der Eltern kann sich für Kinder schnell in eine gefährliche Bedrohung verwandeln“, warnt jetzt die „Stiftung Kindergesundheit“. Der Grund: Arzneimittel bilden den Hauptanteil der rund 220.000 jährlichen Anfragen an die bundesweit acht Giftinformationszentren. Besonders beunruhigend: Die Zahl der durch Medikamente bedingten Vergiftungen und Vergiftungsverdachtsfällen nimmt in den letzten Jahren immer mehr zu.

Risikosituationen: Wenn Erwachsene kurz abgelenkt sind

„Neugierigen Kleinkindern gelingt es trotz aller Vorsicht der Eltern immer wieder, Dinge in die Hand und in den Mund zu bekommen, wovon sie tunlichst die Finger lassen sollten“, erzählt Berthold Koletzko, Kinder- und Jugendarzt und Vorsitzender der „Stiftung Kindergesundheit“. Idealerweise sollten Medikamente deshalb zu Hause in abschließbaren Arzneischränken aufbewahrt werden. Zu den Vergiftungsunfällen kommt es, anders als vielfach vermutet, meist nicht dann, wenn das Kind längere Zeit unbeobachtet ist. Viel häufiger seien Situationen, in denen die Eltern kurz abgelenkt sind: weil es an der Tür klingelt, das Handy läutet, die Milch überkocht oder Mutter oder Vater dringend auf die Toilette müssen. „Schon diese wenigen Minuten können umtriebige Kleinkinder nutzen, um eine Tablette zu schnappen und in den Mund zu befördern", warnt deshalb die Stiftung.

Diese Medikamente sind für Kinder besonders gefährlich

  • Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen wie Anti-Arrhythmika, Betablocker oder Kalziumantagonisten
  • starke Schmerzmittel wie Opiate
  • Diabetes-Mittel
  • hohe Dosen von Paracetamol
  • hohe Dosen von Nasentropfen mit dem Wirkstoff Xylometazolin
  • In den meisten Fällen unbedenklich ist dagegen das Naschen der Verhütungspille der Mutter.

Häufige Symptome, wenn Kinder Arzneimittel schlucken

  • Übelkeit
  • Erbrechen
  • Durchfall
  • Bewusstseinstrübung oder Bewusstlosigkeit bis hin zu einem komaähnlichen Tiefschlaf
  • Störungen von Atmung und Kreislauf

Kind hat Tablette geschluckt: Die Sofortmaßnahmen

  1. Mund mit Wasser auszuspülen, um die Reste aus dem Mund zu entfernen.
  2. Dem Kind sofort viel zu trinken geben: ein Glas Leitungswasser, Tee oder Saft. Damit wird die eingenommene Substanz zumindest verdünnt.
  3. Wichtig: Keine Milch zu trinken geben! Milch kann die Giftaufnahme durch den Darm beschleunigen.
  4. Kind auf keinen Fall zum Erbrechen bringen. Gerät Erbrochenes in die Lunge, kann eine Lungenentzündung die Folge sein.
  5. Gewarnt wird vor dem „Hausmittel“ Salzwasser: Zu viel Salz kann gerade bei kleinen Kindern zu einer gefährlichen Verschiebung der Elektrolyte und sogar zu einer lebensbedrohlichen Natriumvergiftung führen.

Kind hat Tablette geschluckt: So holt man sich Hilfe

„Selbst beim leisesten Verdacht, das Kind könnte gefährliche Mengen einer giftigen Substanz eingenommen haben, sollte man auf keinen Fall erst auf eventuelle Anzeichen einer Vergiftung warten, sondern sofort handeln“, heißt es bei der Stiftung Kindergesundheit. Konkret heißt das: Sich so schnell wie möglich mit einem Arzt oder mit einer der bundesweit acht Giftnotrufzentralen in Verbindung setzen (Telefonnummern siehe unten). Diese können den anrufenden Eltern meist sofort erklären, ob eine akute Gefahr besteht und was gegebenenfalls zu unternehmen ist. Sie vermitteln auch die Information, ob ein Arzt- oder Krankenhausbesuch notwendig ist.

Rettungsdienst rufen, Medikamente samt Verpackung mit in die Klinik nehmen

Hat man die Nummer nicht zur Hand oder treten bereits Symptome einer Vergiftung auf, wählt man besser gleich die 112 für den Rettungsdienst, der das Kind in eine Spezialklinik bringt. Unbedingt die giftige Substanz ins Krankenhaus mitnehmen (inklusive Behälter, Flasche, Verpackung), gegebenenfalls sogar das Erbrochene. Bei Bewusstlosigkeit Atemwege freihalten und Kind in stabile Seitenlage bringen. Bei Atem- oder Herz-Kreislauf-Stillstand: Wiederbelebungsmaßnahmen durchführen.

„Die meisten Unfälle mit Medikamenten harmloser als befürchtet“

„Die meisten Unfälle mit Medikamenten sind glücklicherweise harmloser als befürchtet“, betont trotz aller Warnungen die Stiftung Kindergesundheit. „Dennoch sollte der Verdacht auf eine mögliche Vergiftung nie auf die leichte Schulter genommen werden: Es sollte in jedem Fall ärztlicher Rat eingeholt werden."

Notrufnummern der deutschen Giftnotrufzentralen

Berlin:
Giftnotruf der Charité Universitätsmedizin Berlin,
Notruf:  030 192 40

Bonn:
Informationszentrale gegen Vergiftungen, Universitätsklinikum Bonn,
Notruf: 0228 192 40

Erfurt:
Gemeinsames Giftinformationszentrum der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, Helios Klinikum Erfurt,
Notruf: 0361 730 730

Freiburg:
Vergiftungs-Informations-Zentrale, Universitätsklinikum Freiburg,
Notruf: 0761 192 40

Göttingen:
Giftinformationszentrum-Nord Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Universitätsmedizin Göttingen,
Notruf: 0551 192 40 (Jedermann) und 383 180 (Fachleute)

Homburg/Saar:
Informations- und Beratungszentrum für Vergiftungsfälle, Universitätsklinikum des Saarlandes,
Notruf: 06841 192

Mainz:
Giftinformationszentrum Rheinland-Pfalz/Hessen, Universitätsmedizin Mainz,
Notruf: 06131 192 40

München:
Giftnotruf München, Klinikum der Technischen Universität München,
Notruf: 089 192 40

(Angaben ohne Gewähr; Quelle: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit/BVL)

Hauptkategorie: Prävention und Reha
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