Weniger Organspenden – aus drei Gründen

Von den Patienten, die auf der Warteliste für eine Organtransplantation stehen, benötigt die übergroße Mehrheit eine Niere. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Leber und Herz. – Foto: AdobeStock/horizont21
2.695 schwer kranke Patienten bekamen im Jahr 2022 in Deutschland ein oder mehrere Spenderorgane implantiert und erhielten damit eine bessere Lebensqualität oder sogar die Chance auf ein Weiterleben. Das waren weniger als im Vorjahr (2.979) – und viel weniger als nötig. Denn rund 8.500 Menschen stehen derzeit auf den Wartelisten für eine Organtransplantation. Der „Deutschen Stiftung Organtransplantation“ (DSO) zufolge gibt es vor allem drei Gründe dafür, warum sich im vergangenen Jahr die Schere zwischen Angebot und Nachfrage weiter geöffnet hat.
Deutschland: Nur zehn Organspender pro eine Million Einwohner
Zunächst die Zahlen für 2022 im Detail. 869 Menschen haben hier nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe gespendet. Dies sind 64 weniger als im Vorjahreszeitraum und entspricht 10,3 Spendern pro eine Million Einwohner (2021: 11,2). Von einer Trendumkehr kann deshalb keine Rede sein. Im europaweiten Vergleich lag Deutschland bei den Spenderzahlen zuletzt auf einem abgeschlagenen 29. Platz. Auch die Summe der entnommenen Organe, die für eine Transplantation an die internationale Vermittlungsstelle „Eurotransplant“ gemeldet werden konnten, sank im abgelaufenen Jahr auf 2.662 (Vorjahreszeitraum: 2.905). Damit ging die Zahl der postmortal entnommenen Organe um 8,4 Prozent im Vergleich zu 2021 zurück.
Organspenden: Auch der Personalmangel in Kliniken spielt eine Rolle
Aus Sicht der DSO spielen drei Hauptgründe für die Entwicklung der Organspende-Zahlen im vergangenen Jahr eine Rolle. „Die Coronavirus-Pandemie und die daraus resultierenden Krankenstände beim Personal in den Kliniken belasteten Anfang 2022 das gesamte Gesundheitssystem – dies trug wesentlich zu dem starken Einbruch der Organspende-Zahlen um 30 Prozent im ersten Quartal 2022 bei“, heißt es in einer aktuellen Mitteilung der Stiftung. Die darauffolgenden Quartale brachten eine Stabilisierung auf dem Niveau der Vorjahre. Neben den Auswirkungen der Pandemie und einem Personalmangel in den Krankenhäusern spielte auch die niedrige Spendenbereitschaft in der Bevölkerung eine Rolle. Für das Jahr 2022 verzeichnete die DSO einen Rückgang der Zahl der Organspender um 6,9 Prozent.
Organentnahme: Bei definitivem Hirntod, aber aktivem Kreislauf
Können wir dem Menschen, der vor uns liegt, Organe entnehmen oder nicht?: Vor dieser Frage stehen Ärzte und Angehörige, wenn bei einem Patienten der unumkehrbare Ausfall der gesamten Hirnfunktionen (Hirntod) eingetreten ist. Gleichzeitig muss das Herz-Kreislauf-System noch künstlich aufrechterhalten werden, damit die Organe mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt sind. Die Entscheidung muss dann schnell fallen – und an deren Ende steht oft ein „nein“. Warum?
Angehörige entscheiden sich aus Unsicherheit oft dagegen
Im Jahr 2022 war bei der Hälfte der möglichen Organspenden, die nicht realisiert werden konnten, eine fehlende Einwilligung der Grund. „Gleichzeitig ist auffällig, dass diese Ablehnung der Organspende in weniger als einem Viertel der Fälle auf einem bekannten schriftlichen (7,3 Prozent) oder mündlichen (16,3 Prozent) Willen der Verstorbenen basierte“, heißt es bei der Stiftung Organspende. „In 42 Prozent erfolgte die Ablehnung aufgrund des vermuteten Willens der Verstorbenen, 35 Prozent der Ablehnungen beruhten auf der Einschätzung der Angehörigen nach ihren eigenen Wertvorstellungen, da ihnen nicht bekannt war, was die oder der Verstorbene zum Thema Organspende gewünscht hätte.“
Kein Höchstalter für Organspende
Nur wenige Erkrankungen schließen eine Organspende nach dem Tod aus und es gibt auch kein Höchstalter, bis zu dem eine Spende möglich ist. Trotzdem beobachtet die DSO, dass wegen des demographischen Wandels mit einem zunehmenden Alter der Spender auch Kontraindikationen, also medizinische Ausschlussgründe, eine immer größere Rolle spielen.