Weltklimarat: Zu viel Fleisch und zu wenig Wälder – Änderungen dringend notwendig

Der viel zu hohe Fleischkonsum der Menschen gehört zu den größten Klimasünden – Foto: ©Countrypixel - stock.adobe.com
Die Weltbevölkerung nimmt stetig zu und immer mehr Menschen sind mit Lebensmitteln zu versorgen. Gleichzeitig sind weltweit jetzt schon rund 820 Millionen Menschen unterernährt. Auf der anderen Seite steht ein viel zu hoher Fleischkonsum, insbesondere in den Industrienationen, sowie eine immense Lebensmittelverschwendung. Der Klimawandel bedroht die Lebensmittelversorgung der Menschen zusätzlich.
Vor welchen Problemen die Menschheit konkret steht und welche Maßnahmen dem entgegenwirken können – das ist im aktuellen Sonderbericht des Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) zu lesen, der am 8. August 2019 auf einer Pressekonferenz in Genf vorgestellt wurde. Die zentrale Frage der Forscher lautete: Wie können wir immer mehr Menschen ernähren, ohne den Klimawandel zu verstärken, die Natur zu zerstören und damit letztlich die Existenzgrundlage der Weltbevölkerung zu gefährden?
Landwirtschaft benötigt immer mehr Felder
In ihrem Bericht machen die Autoren mehrere Hauptproblemfelder aus. Dazu gehört zum einen das Thema Landwirtschaft, denn zur Lebensmittelherstellung werden immer mehr Flächen benötigt. Vor allem die Fleischproduktion besetzt einen riesigen Anteil der landwirtschaftlichen Flächen. Dafür müssen Wälder weichen, die wiederum dringend notwendig wären, um die Erderwärmung zu begrenzen. Denn Bäume ziehen Kohlendioxid (CO2) aus der Luft und lagern den Kohlenstoff (C) im Holz und im Waldboden ein.
Auch für die Weizen- und Sojaproduktion werden riesige Felder benötigt – zum Teil auch wieder für die Ernährung der Tiere. Bereits jetzt werden mehr als 70 Prozent der eisfreien Landflächen des Planeten benutzt, um die Weltbevölkerung zu ernähren und Güter zu produzieren - mit steigender Tendenz und trotz des intensiven Einsatzes von Dünger und Pflanzenschutzmitteln.
Viel zu hoher Fleischkonsum
Eines der größten Probleme beim Zusammehang zwischen Lebensmittelversorgung und Klimawandel ist also der viel zu hohe Fleischkonsum. Rund 80 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche werden zurzeit für die Tierproduktion genutzt. Das belastet die Umwelt enorm, nicht nur, weil dafür Wälder weichen müssen, sondern weil die Nutztierhaltung dazu beiträgt, dass noch mehr CO2 produziert wird.
Damit handelt es sich bei der Massentierhaltung, auf den Klimawandel bezogen, um eine doppelte Katastrophe. Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zufolge wird durch den global steigenden Fleisch- und Milchkonsum der Gesamtanteil der Landwirtschaft an den Treibhausgasen bis 2050 auf schätzungsweise 50 bis 80 Prozent ansteigen.
Die Autoren des IPCC-Berichts betonen, dass sich die Treibhausgasemissionen deutlich reduzieren ließen, wenn die Menschen ihre Ernährung auf mehr Getreide, Gemüse und Hülsenfrüchte umstellen würden. Dabei verweisen sie auf mehrere Studien. So haben unter anderem Forscher um Isabelle Weindl vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ermittelt, dass sich die durch Landnutzungsänderung entstehenden Kohlenstoffemissionen um fast 80 Prozent senken ließen, wenn die Menschheit ihre Ernährung bis 2050 auf einen Anteil von 15 Prozent tierischer Kalorien umstellen würde.
Böden werden immer unfruchtbarer
Ein weiteres großes Problem ist die zunehmende Landdegradierung. Damit wird die Zerstörung der biologischen Vielfalt von Ökosystemen bezeichnet, die sich ohne Hilfe nicht innerhalb von Jahrzehnten vollständig erholen können. Der IPCC-Bericht zeigt, dass weltweit ein Viertel der eisfreien Landflächen davon betroffen ist.
Eine Ursache für diese Veränderungen ist der Klimawandel selbst. Zugleich begünstigen schlechtere Böden die Erderwärmung – ein fataler Teufelskreis. So speichert der Boden weniger Kohlenstoff, wenn er von Landdegradierung betroffen ist, beispielsweise weil er nicht richtig bewässert wird. Auch die Hitze trocknet die Böden immer häufiger aus und Starkregen oder Überflutungen tragen den fruchtbaren Oberboden ab.
Eine weitere Folge des Klimawandels: Durch den steigenden Meeresspiegel dringt Meerwasser in Flussmündungen und versalzt fruchtbare Böden. Betroffen sind unter anderem Flussdeltaregionen in Südasien, Südafrika und Südamerika. Das wiederum bedroht die Nahrungsgrundlagen von Milliarden von Menschen.
Weltweit schwinden die Waldflächen
Unsere Wälder beherbergen nicht nur eine große Artenvielfalt an Tieren und Pflanzen, sondern halten auch den Planeten kühl. Sie nehmen Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf, ähnlich wie Feuchtgebiete und Moore, die ebenfalls große Kohlenstoffspeicher sind. Doch weltweit schwinden Waldflächen.
Allein im Jahr 2019 wurden in Brasilien bereits 2.254 Quadratkilometer Regenwald abgeholzt. Dem Bericht zufolge gehen Forscher davon aus, dass jetzt schon ca. 17 Prozent des Amazonaswaldes entwaldet sind. Bald könnte die Hälfte der Amazonaswälder zu Savanne, Ackerland oder Weidefläche werden, wodurch 50 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in die Atmosphäre freigesetzt werden würden.
Forscher raten zu weniger Fleischkonsum
Der IPCC-Report verdeutlicht einmal mehr, dass die Menschen ihre Verhaltensweisen und die Landwirtschaft grundlegend umstellen müssen. Anders wird es nicht möglich sein, den Klimawandel ausreichend zu begrenzen und die Nahrungsmittelsicherheit nicht noch weiter zu gefährden. Auch macht der Bericht klar, wie komplex die Zusammenhänge zwischen der Landnutzung, der Erderwärmung und der Nahrungsmittelsicherheit sind.
Die Gegenmaßnahmen müssen also an verschiedenen Stellen gleichzeitig ansetzen. Die Autoren des Reports empfehlen insbesondere folgende Maßnahmen: weniger Fleisch zu essen (hier könnte auch eine Fleischsteuer helfen), die Böden schonender und nachhaltiger zu bearbeiten sowie natürliche Flächen, Wälder und Moore zu schützen und dort, wo bereits Schaden angerichtet wurde, zu renaturieren.
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