
Probiotika kommen beispielsweise in Lebensmitteln vor, die nicht pasteurisiert oder sterilisiert sind, sondern "lebendig". – Foto: ©ricka_kinamoto - stock.adobe.com
Tausend Milliarden Bakterien leben im menschlichen Darm – etwa ein Kilogramm. Die Gesamtheit der Darmbakterien wiegt bei einem durchschnittlichen Erwachsenen dreimal so viel wie das Herz und fast so viel wie das Gehirn. Auch wenn dieses sogenannte Darmmikrobiom unsichtbar ist: Durch sein Gewicht und – mehr noch – durch seine Funktion besitzt es Dimension und Qualität eines Organs. Etwa 70 Prozent des menschlichen Immunsystems werden im Darm verortet. Die Immunabwehr funktioniert aber nur dann effektiv, wenn die Darmflora intakt ist: wenn mindestens 85 Prozent der hier angesiedelten Bakterien nützlich sind. Um die Balance der rund 500 unterschiedlichen Bakterienarten gesund zu halten, können Probiotika nützlich sein. Doch Probiotika – was ist das?
Formen von Probiotika: Lebens-, Nahrungsergänzungs-, Arzneimittel
Probiotika sind lebende Mikroorganismen, hauptsächlich Bakterien, die über die Nahrung aufgenommen werden. Sie kommen von Natur aus in bestimmten Lebensmitteln vor. Sie können Lebensmitteln aber auch industriell zugesetzt sein und dann als „Functional Food“ vermarktet werden – als Lebensmittel, das angeblich eine medizinähnliche Wirkung auf den Organismus hat. Sie können als Nahrungsergänzungsmittel etwa in Drogerien erhältlich sein – aber auch vom Arzt in Form von Kapseln als Arzneimittel verschrieben werden: um etwa bei einer Antibiotika-Behandlung Durchfall vorzubeugen und die Regeneration der Darmflora zu unterstützen.
Probiotika: Nicht zu verwechseln mit „Präbiotika“
Das Wort „Probiotika“ setzt sich zusammen aus dem lateinischen „pro“ (= für) und dem altgriechischen „bios“ (= Leben). Probiotika sind nicht zu verwechseln mit „Präbiotika“: mit unverdaulichen Lebensmittelbestandteilen (meist Kohlenhydraten), die eine positive Wirkung auf bereits im Darm befindliche Mikroorganismen besitzen. Sie gehören zu den häufig verwendeten Lebensmittelzusätzen (Beispiele: Inulin, Oligofructose), kommen aber auch in bestimmten Gemüsepflanzen vor (Chicorée, Schwarzwurzeln).
Probiotika: Positiv bei Magen-Darm- und Atemwegserkrankungen
„Probiotika überleben die Magen-Darm-Passage, siedeln sich im Darm an und werden so Teil der Darmmikrobiota“, heißt es in einer Verbraucherinformation der „Deutschen Gesellschaft für Mukosale Immunologie und Mikrobiom“ (DGMIM). Dem Fachverband zufolge unterstützen sie das Immunsystem, stärken die Barrierefunktion der Darmwand und hemmen damit den Eintritt unerwünschter Substanzen und Keime an der Nahtstelle Darm-Organismus. Sie können bei Magen-Darm-Erkrankungen helfen wie dem Reizdarmsyndrom, Durchfall oder Verstopfung. Laut DGMIM sind sie auch geeignet, Atemwegsinfektionen und allergischen Hauterkrankungen vorzubeugen beziehungsweise zur Abmilderung der Symptome beizutragen. Laut einer im Juli veröffentlichten Studie könnten Probiotika auch die Symptome bei Depressionen lindern.
Probiotika: Nicht immer sinnvoll und gesund
Trotz aller verheißungsvollen Anpreisungen des Handels: Probiotika sind kein Wundermittel und sie sind nicht immer sinnvoll und gesund. So milchstraßenähnlich die Vielfalt dieser Bakterienwelt ist, so wenig ist sie bisher erforscht. Die Zugabe von probiotischen Bakterien zu Nahrungsprodukten und deren Wirkung sind umstritten. Und selbst bei probiotischen Arzneimitteln sind nicht alle Anwendungszwecke nach wissenschaftlichen Kriterien gesichert. Da jeder Bakterienstamm ganz eigene Wirkungen haben kann, sind selbst positive Einzelergebnisse nicht verallgemeinerbar. Die angeblich gesundheitsfördernden Eigenschaften probiotischer Bakterienstämme sind nur zu sehr geringen Teilen wissenschaftlich nachgewiesen.
„In den meisten Fällen reicht eine ausgewogene Ernährung vollkommen aus“, heißt es in einer Gesundheitsinformation der Krankenkasse AOK. „Wer trotzdem ergänzend Probiotika zu sich nehmen möchte, sollte sich vorher informieren, welche Eigenschaften die verschiedenen Bakterienarten haben.“
Probiotika: Fünf Typen und ihre Wirkung
- Lactobacillus acidophilus: Diese Milchsäurebakterienart wirkt bei der Milchzuckerverdauung mit. Außerdem stellt sie Vitamine wie Folsäure, Vitamin B3 und B6 her.
- Lactobacillus casei: Wehrt schädliche Bakterien wie Salmollen ab und eignet sich daher zur Unterstützung des Immunsystems bei der Einnahme von Antibiotika.
- Lactobacillus rhamnosus: Ist immun gegen Magensäure und Gallensäfte und hilft anderen Milchsäurebakterien auf ihrem Weg durch den Verdauungstrakt.
- Bifidobacterium bifidum: Sehr wichtig für das Immunsystem, da diese Bakterien verschiedene Säuren produzieren und nachweislich immunrelevante Antikörper unterstützen.
- Bifidobacterium longum: Das Bakterium befindet sich am häufigsten im Darm und ist mit am wichtigsten für das Immunsystem und die Vitaminbildung. Außerdem unterstützt es die Aufnahme von Calcium.
(Quelle: AOK)
Probiotika-Präparate: Eine Milliarde Mikroorganismen als Tagesdosis
Beim Kauf von puren Probiotika-Mischungen empfehlen die Gesundheitsexperten der AOK, auf bestimmte Qualitätskriterien zu achten. Demnach ist wichtig, dass auf der Verpackung das Mindesthaltbarkeitsdatum für die Wirkung der Bakterien angegeben ist. Und: Dass das Präparat lebende Mikroorganismen in einer tatsächlich wirksamen Konzentration enthält. Als tägliches Minimum wird eine Milliarde lebender Mikroorganismen angeben. Der Hinweis auf der Verpackung muss lauten: „1 x 109 KBE“. KBE bedeutet: koloniebildende Einheit. Empfohlen wird in jedem Fall eine Beratung in der Apotheke.
Probiotika müssen permanent zugeführt werden
Da diese nützlichen Bakterien zwar zunächst Teil der Darmflora werden, aber sich dort nicht auf Dauer behaupten können, müssen Probiotika-Präparate laut Auskunft der AOK permanent eingenommen werden. „Hört man mit der Einnahme auf, verringert sich auch die Anzahl der probiotischen Bakterien und nach wenigen Wochen herrschen wieder die ursprünglichen Verhältnisse im Darm.“
Halten Probiotika, was sie versprechen?
Ob der Konsum probiotischer Lebensmittel oder Präparate sich am Ende tatsächlich auszahlt, ist offen. „Nicht jedes Probiotikum zeigt Wirkung“, heißt es bei der Fachgesellschaft DGMIM. „Zu probiotischen Joghurts ist nicht unbedingt zu raten, da sie meist nicht viel wirkungsvoller als Naturjoghurt sind und keine besonders hohe Bakterienkonzentration aufweisen“, heißt es bei den Ernährungsexperten der AOK. „In den meisten Fällen reicht eine ausgewogene Ernährung vollkommen aus, denn Probiotika (meist Milchsäurebakterien) sind auch in natürlichen Lebensmitteln enthalten." Voraussetzung ist allerdings, dass diese nicht pasteurisiert oder anderweitig erhitzt wurden – und damit lebende Kulturen enthalten.
Fünf Lebensmittel mit nennenswertem Probiotika-Gehalt:
- Probiotischer Joghurt
- Sauerkraut und andere fermentierte Lebensmittel
- Kombucha (mostähnliches Getränke auf Teebasis mit Kombuchapilzkulturen)
- Miso (japanische Sojabohnen-Paste)
- Kimchi (milchsauer vergorenes Gemüse nach Art der koreanischen Küche).
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