
Grundlagenforschung gibt neue Einblicke in alternde Herzen
Ein altes Herz ist in der Regel nicht mehr so leistungsfähig wie ein junges. Warum das so ist, das haben sich Wissenschaftler vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) nun im Detail angeschaut. Insgesamt wurden rund 28.000 Herzzellen von jungen und alten Mäusen mittels Einzelzelltranskriptionsanalyse untersucht. Diese Untersuchungsmethode ermöglicht es, für jede Zelle gesondert zu analysieren, welche Gene in ihr abgelesen werden. Dadurch entstand ein umfassender Zellatlas der Genaktivität in alten Herzen von Säugetieren.
Bindegewebszellen geraten außer Kontrolle
Zentrales Ergebnis der Studie: Im Alter verliert das Herz seinen hohen Organisationsgrad. Insbesondere Bindegewebszellen, die Fibroblasten, geraten zunehmend außer Kontrolle, die Gene arbeiten hier nicht mehr so synchron. In diesen Bindegewebszellen fanden die Forscher die größten Unterschiede zwischen Jung und Alt: Während in den Fibroblasten aus Herzen von jungen Mäusen in jeder Zelle jeweils Gene ähnlich aktiv waren, war diese Einheitlichkeit bei älteren Mäusen nicht mehr gegeben. „Betrachtet man wenige Zellen ist das Muster noch halbwegs in Ordnung“, berichtet Dr. Sascha Sauer vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin. „Doch all die kleinen Abweichungen führen insgesamt dazu, dass die alten Zellen sich mehr und mehr unterscheiden und somit nicht mehr so gut zusammenarbeiten. Dadurch gerät das hochkomplexe System Herz etwas durcheinander.“
Gefäßverkalkung durch alternde Fibroblasten
Außerdem fanden die Forscher in der äußersten Schicht des Herzens, dem Epikard, eine Gruppe von Bindegewebszellen, in denen Gene aktiv waren, die zur Verkalkung führen. „Es ist zwar bekannt, dass im Alter die Gefäße zunehmend verkalken, aber dass im gesunden Herzen ein bestimmter Subtyp von alternden Fibroblasten dazu beiträgt, ist neu“, so Sauer.
Ein weiterer Fund: Die Fibroblasten alter Herzen senden sogenannte Serpine (bestimmte Eiweiße) an Endothelzellen aus, also jene Zellen, die die Blutgefäße von innen auskleiden. Dadurch finden Endothelzellen schlechter zusammen, was die Blutgefäßauskleidung beeinträchtigen kann. „Wir vermuten, dass das Zusammenspiel von Fibroblasten und Endothelzellen tatsächlich noch viel komplexer ist. Denn auch weitere für die Zellkommunikation zuständige Gene sind in alten Fibroblasten anders reguliert als in jungen“, betont Sauer.
Je spezialisierter, desto anfälliger im Alter
Das Alter brachte offenbar auch jene Gene durcheinander, die für die Kontraktion des Herzmuskels wichtig sind. Dagegen fanden sich keine Unterschiede bei Genen, die Stoffwechselwege codieren und in allen Zellen identisch sind. Diese Gene waren bei Jung und Alt gleichermaßen aktiv. „Wenn man sich grob vorstellt, wie sich ein Organismus entwickelt, dann treten hoch spezialisierte Zellen eher später auf. Und was spät kommt, verliert man anscheinend wieder früh“, sagt Sauer. Mit anderen Worten: Gerade die spät ausgeprägten Spezialisierungen sind sehr anfällig im Alter.
Die Studie wurde soeben im November im Fachjournal JCI Insight publiziert.