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Was geht unter die Haut?

Montag, 1. Februar 2010 – Autor:
Interview mit dem Dermatologen Prof. Dr. Dr.-Ing. Jürgen Lademann, Leiter des Bereichs Hautphysiologie an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Charité - Universitätsmedizin Berlin.
Prof. Dr. Dr.-Ing. Jürgen Lademann

Prof. Dr. Dr.-Ing. Jürgen Lademann

Mit Ihrer Erkenntnis, dass Haarfollikel (Haarbalg) eine entscheidende Rolle beim Transport von Wirkstoffen in die Haut spielen, haben Sie die Wissenschaft auf den Kopf gestellt. Was war das Neue daran?

Lademann: Jahrzehntelang war sich die Wissenschaft darüber einig, dass die Penetration von Substanzen, die wir auf die Haut bringen, interzellulär, also innerhalb der Lipidschichten erfolgt. Wir konnten in der Zwischenzeit zeigen, dass die Haarfollikel, obwohl sie nur ein Tausendstel der gesamten Hautoberfläche ausmachen, ein ganz entscheidender Penetrationsweg sowie ein sehr effektiver Speicher sein können. Auch in Konkurrenz zur interzellulären Penetration. Heute ist diese Erkenntnis international akzeptiert und wenn Sie in die Literatur schauen, sehen Sie, dass wir an dieser Stelle international ganz vorne dran sind.

Das ist Grundlagenforschung. Welche Bedeutung hat sie für die Anwendung?

Lademann: Stellen Sie sich vor, Sie geben eine Creme auf die Haut. Sie dringt in die Hornhaut ein, aber durch Waschen, Schwitzen und die Berührung mit Textilien nehmen Sie eine ganze Menge dieser Substanz wieder von der Hautoberfläche weg. Nicht aber, wenn die Wirkstoffe in den Haarfollikeln gespeichert sind. Haarfollikel muss man sich als Ausbuchtung vorstellen, die sich in tiefere Schichten der Haut erstreckt. Was dort hineingeht, können Sie nicht so einfach wieder auswaschen. Deshalb nutzt diese Erkenntnis beispielsweise Patienten, die sich mehrmals am Tag eincremen müssen. Wenn sie das nur einmal am Tag oder alle paar Tage machen müssen, dann ist das ein grosser Erfolg.

Also wäre es günstig, wenn zum Beispiel eine steroidhaltige Creme in den Haarfollikeln gespeichert würde?

Lademann: Ja, Haarfollikel sind die wirklich interessanten Zielstrukturen. Sie sind der Ort, wo wir Substanzen hinbekommen möchten. Zum einen, weil wir wissen, dass die Speicherzeit von Substanzen in den Haarfollikeln bis zu zehnmal länger ist als an der Oberfläche. Zum anderen sind sie umgeben von einem dichten Netz der Blutgefässe, sie sind Sitz der Stammzellen und Sitz der Zellen des Immunsystems. Das alles macht sie für weitere Therapieoptionen bis hin zur Gen- und Immuntherapie hoch interessant.

Sie haben auch erforscht, wie die Wirkstoffe in die Haarfollikel hineinkommen ...

Lademann: Wir konnten feststellen, dass Nanopartikel ganz entscheidende Trägersysteme sind. Die Oberfläche der Haare stellt keine glatte Struktur dar, sondern weist eine zickzack-artige Form auf. Bewegt sich das Haar, so wirkt es wie eine Zahnradpumpe, die Partikel mit einem Durchmesser von etwa 500 - 800 nm besonders effektiv in die Haarfollikel hineintransportiert. Belegt man nun diese Partikel mit einem Wirkstoff, der im Haarfollikel freigesetzt wird, so kann dieser effektiv zu den Zielstrukturen hintransportiert werden. Da Nanopartikel nicht in die lebenden Zellen gehen, kann man sie gut als Trägersysteme für Wirkstoffe nutzen. Während die Penetration der Nanopartikel recht gut erforscht ist, ist die Frage der Abgabe des Wirkstoffes noch eine Frage, die uns die nächsten Jahre beschäftigen wird. Diese Frage ist insbesondere vor dem Hintergrund einer topischen Vakzinierung interessant.

Topische Vakzinierung?

Lademann: Wer möchte sich schon gerne mit einer Nadel stechen lassen, wenn er geimpft wird? Wir arbeiten derzeit daran, dass man künftig einen Impfstoff per Creme auf die Haut auftragen kann. Gerade in weniger entwickelten Ländern, wo eine Spritze immer noch mit Infektionsgefahren und der Übertragung von Krankheitserregern verbunden ist, hätte dies einen enormen Effekt. Leider Geht die Schluckimpfung, also die systemische Gabe, nicht immer, weil einige Vakzine im Magen-Darm-Trakt metabolisieren. Deshalb ist die Haut eigentlich der ideale Transportweg.

Die Haut ist auch Spiegel unserer Lebensweise. Mit einem speziellen Gerät können Sie messen, wie gesund wir uns ernähren, ob wir rauchen oder Alkohol trinken. Wie funktioniert das?

Lademann: Sie meinen die Antioxidantienmessung mit dem Raman-Spektrometer - das ist eine Entwicklung, die wir gemeinsam mit der Laser- und Medizintechnik GmbH in Berlin durchgeführt haben und die international einmalig ist. Früher musste man Biopsien entnehmen und mit aufwändigen Verfahren analysieren. Bei unserem Verfahren wird einfach eine Art Taschenlampe, aus der ein Laserstrahl kommt, auf die Haut gehalten und so das antioxidative Potenzial gemessen. Das tut nicht weh. Erstmals haben wir die Messung bei unseren Mitarbeitern durchgeführt und ganz erstaunliche Ergebnisse erhalten. Jemand, der rauchte und sich ungesund ernährte, hatte seinen eigenen Fingerabdruck und niedrige Werte. Jemand, der sich gut ernährte, hatte gute, hohe Werte. Heute raucht von den Studienteilnehmern keiner mehr.

Wie kommen denn Antioxidantien überhaupt in die Haut?

Lademann: Der Körper kann Antioxidantien in den meisten Fällen nicht selbst produzieren, sie werden mit der Nahrung aufgenommen. Wir konnten erstmals zeigen, dass zum Beispiel Beta Karotin, Vitamin C und Vitamin E wirklich in der Haut ankommen und sich dort einlagern. Und wir konnten beweisen, dass sie schützen. Um hohe Antioxidantienwerte zu erreichen, ist es ratsam, Stress zu vermeiden und auf Junkfood, Nikotin und Alkohol zu verzichten. Viel Obst und Gemüse essen. Auch Sport wirkt sich positiv auf den Antioxidantiengehalt in der Haut aus.

Vor was schützen uns eigentlich Antioxidantien?

Lademann: Unter anderem neutralisieren Antioxidantien die freien Radikale, die durch Sonnenstrahlen erzeugt werden und schützen so mit vor Sonnenbrand und anderen Hautschädigungen. Auch das Altern der Haut wird entscheidend beeinflusst. Mit einer gesunden Lebensweise können Sie zwar keine vorhandenen Falten glätten, aber den Alterungsprozess der Haut deutlich verlangsamen. Auch bei verschiedenen Hautkrankheiten wirkt sich eine hohe Konzentration von Antioxidantien in der Haut positiv auf den Heilungsprozess aus. Das gilt speziell für Entzündungskrankheiten, wo bekanntlich eine hohe Konzentration von freien Radikalen gebildet wird.

Hauptkategorie: Gesundheitspolitik

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