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Was die „Mikrobe des Jahres“ alles kann

Mittwoch, 4. Januar 2023 – Autor:
Eine Fachgesellschaft hat den „Bacillus subtilis“ zur „Mikrobe des Jahres“ gekürt. Das Bakterium sei ein Multitalent für Gesundheit und Technik. Es sorgt für einen gesunden Darm, hygienische Toiletten, dient der Vitaminproduktion und macht Wäsche sauber.
Bacillus subtilis - mikroskopische Darstellung.

Man sieht sie nicht, aber sie machen 70 Prozent der Biomasse auf der Erde aus – Mikroorganismen. Obwohl sie einen schlechten Ruf besitzen, sind die allermeisten Bakterien nützlich. Ein aktuelles Beispiel dafür: der „Bacillus subtilis“. – Foto: AdobeStock/Kateryna_Kon

Die „Heilpflanze des Jahres“ war und ist hier immer wieder ein Thema. Das klingt nach (überraschender) Heilkraft aus der Natur, nach dem Duft von Kräutern oder Lavendel, nach Provence und Toskana. Wenn wir an dieser Stelle heute die „Mikrobe des Jahres“ präsentieren, klingt das vielleicht weniger romantisch, und den einen oder anderen wird es jetzt irgendwo am Körper gleich anfangen zu jucken. Aber was die „Mikrobe des Jahres 2023“ alles kann und wie gut sie uns tut – das ist ein kleiner Krimi. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass wir sie sogar schon in uns tragen oder im Haushalt damit hantieren: Sie steckt in Nahrungsmitteln, Kosmetika, Handseife und Waschmittel. Und man kann sie sogar in der Apotheke kaufen.

„Mikrobe des Jahres“: „Multitalent für Gesundheit und Technik“

Zum zehnten Mal hat jetzt die „Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie“ (VAAM) die „Mikrobe des Jahres“ bestimmt. Gewinner ist der „Bacillus subtilis“. Zur Begründung für die Wahl hieß es: Die Mikrobe sei ein „mikrobielles Multitalent für Gesundheit und Technik“. Der Bazillus sei gesundheitsfördernd und schon jetzt in vielen Industriezweigen unverzichtbar – und dank ihm seinen viele weitere Innovationen seien zu erwarten. Hier eine Übersicht über die wichtigsten Anwendungsgebiete:

Mehr Hygiene auf der Toilette

Wer an einer Autobahnraststätte eine Toilettenpause einlegt, profitiert vom segensreichen Wirken von Bacillus subtilis. Denn diese harmlosen Bakterien bilden Dauerformen (Sporen), die sich leicht dem Spülwasser beisetzen lassen, wo sie unter guten Bedingungen schnell auskeimen und sich rasant vermehren. So verdrängen sie andere, meist langsamer wachsende infektiöse Mikroorganismen und sorgen für hygienische Verhältnisse.

Mehr Sauberkeit beim Wäschewaschen

Enzyme aus Bacillus subtilis verwenden wir beim Wäschewaschen: Amylasen, Proteasen, Lipasen aus Bacillus-Stämmen bauen die wichtigsten Verschmutzungen ab, nämlich Stärke, Eiweiße und Fette – und dies bei niedrigen Temperaturen, was Energie beim Waschen spart.

Probiotikum stärkt Darmbarriere und Immunsystem

Bacillus subtilis wird auch als Probiotikum eingesetzt, also als Mikroorganismus mit gesundheitlicher Wirkung. Sporen ausgewählter Stämme des Bazillus überleben die saure Umgebung in Magen und Dünndarm oder eine Hitzebehandlung während der Produktion. Im Körper hemmen sie Krankheitserreger, stärken die Darmbarriere und das Immunsystem.

Viele Menschen in Asien „vergären“ Sojabohnen mit Hilfe von Bacillus subtilis zu traditionellen Nahrungsmitteln, die reich an Mineralien und Vitaminen sind und eine gesundheitsfördernde Wirkung haben. Beispiel für derlei Lebensmittel: das japanische „Natto“.

Biotechnologische Produkte für Nahrungsmittel- und Kosmetikindustrie

Weil der Bacillus subtilis robust ist und schnell wächst, setzt er effizient organische Substrate in biotechnologische Produkte um. Daher wird er für zahlreiche Produktionsprozesse genutzt. So stellt Bacillus subtilis Vitamin B2 (Riboflavin) her sowie Pantothensäure (Vitamin B5) und γ-Polyglutaminsäure - als Verdicker, Befeuchter oder Gefrierschutzmittel in der Nahrungsmittel- und Kosmetikindustrie.

Alternative zu Antibiotika und Pestiziden in der Landwirtschaft

Bacillus subtilis kann auch die Verwendung von Antibiotika in der Tierhaltung verringern: Ein Bacillus-basiertes Probiotikum verhindert einen in der Geflügelhaltung häufigen Darminfekt. Die Bakterien stärken zudem das Wachstum von Pflanzen, schützen sie vor Krankheitserregern und helfen, Nährstoffe aus dem Boden aufzunehmen.

Möglicher Arzneiwirkstoff gegen Alzheimer

Der Bacillus subtilis bildet laut VAAM komplexe und robuste Biofilme – also Zusammenschlüsse von Zellen, Zuckern und Proteinen, mit denen sie sich an Oberflächen heften können. Einen interessanten Einsatz von Bacillus-subtilis-Biofilmen verspricht die mögliche Anwendung bei der Alzheimer-Krankheit: Im Tiermodell zeigte sich, dass auf diese Weise produzierte Biofilme die Nervenzellen schützen können.

Wer wählt die „Mikrobe des Jahres“?

Die „Mikrobe des Jahres“ wurde erstmals 2014 von der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie bestimmt. Die in Frankfurt am Main ansässige Fachgesellschaft vertritt über 3.400 mikrobiologisch orientierte Wissenschaftler aus Forschung und Industrie. Die Entscheidung über die „Mikrobe des Jahres“ trifft eine Jury aus Mikrobiologen und würdigt damit die Bedeutung des jeweiligen Mikroorganismus für den Menschen – sei es in Ökologie, Medizin, Technik, Lebensmittelwirtschaft, Energiegewinnung, Geschichte oder Forschung.

Bakterien: Viel besser als ihr Ruf

Bakterien haben einen schlechten Ruf. Viele denken dabei an Schmutz und Krankheiten wie Lungenentzündung, Borreliose, Cholera oder die Geschlechtskrankheit Syphilis. Doch das ist nur die eine Seite. „Nur etwa ein Prozent aller Bakterien lösen Krankheiten beim Menschen aus“, heißt es bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“ (BZgA). „Viele Bakterien sind sogar wichtig für unsere Gesundheit.“

Billionen von Mikroorganismen schützen unseren Körper

Billionen von Mikroorganismen – die Mehrheit davon Bakterien – leben auch auf und in unserem Körper: auf der Haut, im Mund, im Darm, in der Lunge oder in der Scheide. Hier tragen sie aktiv dazu bei, uns vor Infektionen zu schützen. Besonders im Darm ist die Bakteriendichte groß: Im Dickdarm finden sich etwa 100 Milliarden Bakterien pro Milliliter Darminhalt. Die Bakterien der Darmflora unterstützen die Verdauung, produzieren Vitamine und wehren mögliche Krankheitserreger ab.

Bakterien im Körper: So schwer wie ein kleines Organ

Mikrobiologen schätzen, dass unsere bakteriellen Mitbewohner ungefähr so zahlreich wie die menschlichen Körperzellen sind. Bei einem Mann mit 70 Kilogramm Körpergewicht entspräche das einer Anzahl von etwa Billionen Bakterien. Zusammen wiegen sie etwa 200 Gramm und erreichen damit die Masse eines kleineren Organs. Zum Vergleich: das Gewicht des Herzes oder beider Nieren wird im Schnitt mit 300 Gramm angegeben.

Hauptkategorie: Umwelt und Ernährung
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