Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Warum Übergewicht in wärmeren Klimazonen verbreiteter ist

Sonntag, 23. April 2017 – Autor: Anne Volkmann
Der Hang zu Übergewicht hängt nicht nur von der Lebensweise ab, sondern zum Teil auch von unseren Genen. Forscher haben nun ein Gen identifiziert, das offenbar darüber mitbestimmt, wie aktiv unser Stoffwechsel ist. Dadurch passt sich der Körper den klimatischen Bedingungen seiner Umgebung an.
Es gibt eine genetische Veranlagung für Übergewicht

Ein reduzierter Stoffwechsel kann den Organismus vor Überhitzung schützen – Foto: byrdyak - Fotolia

Schon seit einiger Zeit ist bekannt, dass der Hang zur Fettleibigkeit genetisch mitbestimmt sein kann. So haben Untersuchungen immer wieder gezeigt, dass Übergewicht familiär gehäuft auftritt, aber auch, dass Menschen in wärmeren Klimazonen besonders oft von Fettleibigkeit betroffen sind. Doch warum das so ist, konnte bisher nicht abschließend geklärt werden. Nun haben Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) ein Gen identifiziert, das die Balance zwischen Körperwärme und Fettverbrennung steuert. Bei Versuchen mit Fruchtfliegen stellten die Forscher fest, dass Fliegen ohne dieses Gen leichter Fett ansetzen und gleichzeitig weniger Körperwärme produzieren. Übertragen auf den Menschen könnten die Ergebnisse erklären, wie eine evolutionäre Anpassung des Menschen an ein Leben in wärmeren Zonen die drastische Zunahme an Fettleibigkeit fördert.

Ohne THADA setzen Fruchtfliegen schneller Fett an

„Eine gängige Theorie besagt, dass ein gedrosselter Stoffwechsel und damit geringere Wärmeproduktion eine Anpassung an die warme Umgebung sind. Die überschüssige Energie wird dann in Form von Fettpolstern gespeichert“, sagt Aurelio Teleman vom DKFZ. „Wenn das zutrifft, müsste es Gene geben, die die Balance zwischen Wärmeproduktion und Fettspeicherung steuern. Und diese Gene sollten sich bei verschiedenen Menschen – abhängig vom Breitengrad – unterscheiden.“

Das Forscherteam um Teleman vermutete, dass ein Gen mit der Bezeichnung THADA hier von entscheidender Bedeutung sein könnte, denn umfangreiche Untersuchungen hatten bereits gezeigt, dass Menschen aus verschiedenen Klimazonen sich in diesem Gen besonders stark unterscheiden. Das bedeutet, dass die Erbanlage starker evolutionärer Anpassung unterliegt. Schalteten die Forscher nun bei Fruchtfliegen das THADA-Gen aus, konnten sie feststellen, dass die Tiere besonders viel Appetit hatten und schnell Fett ansetzten, dabei aber gleichzeitig weniger Wärmer produzierten und schnell unter Kälte litten. 

Um das herauszufinden, hatten die Wisschenschaftler Fruchtliegen mit und ohne THADA für einige Stunden in einen Kühlschrank gesperrt, was die Tiere erstarren ließ. Doch während sich die Fliegen, die nicht genverändert wurden, rasch erholten, brauchten die Tiere ohne THADA dafür deutlich länger. „Ihr Fett isoliert sie also nicht und wir konnten nachweisen, dass sie tatsächlich weniger Wärme produzieren“, so Alexandra Moraru, Erstautorin der Studie.

THADA-Gen funktioniert bei Menschen und Fliegen auf ähnliche Weise

THADA, so fanden die DKFZ-Forscher heraus, beeinflusst ein Protein, das Calcium aus dem Zellplasma in zelluläre Speicherdepots pumpt. Diese Pumpleistung steigt dramatisch an, wenn THADA fehlt. Wenn die Forscher die Leistung der Calcium-Pumpe experimentell drosselten, kompensierte dies den THADA-Verlust und schützte die Fliegen vor Fettleibigkeit.

Die neuentdeckten Funktionen von THADA sind jedoch offenbar keine Spezialität des Fliegen-Stoffwechsels: Das THADA-Gen des Menschen konnte bei den Fruchtfliegen den Verlust des Fliegen-THADA kompensieren, was dafür spricht, dass das Gen in beiden Arten vergleichbare Funktionen ausübt. Schalteten die Forscher THADA in menschlichen Tumorzellen in der Kulturschale aus, so führte dies, wie bei der Fliege, ebenfalls zu stärkeren Calcium-Signalen.

Reduzierter Stoffwechsel schützt vor Überhitzung

Nach Ansicht der Forscher hatte dieser Mechanismus für den Menschen durchaus einen evolutionären Sinn, denn ein reduzierter Stoffwechsel kann dazu beitragen, eine Überhitzung des Körpers zu vermeiden. „In Kombination mit unserer modernen Ernährungsweise führt dieser gedrosselte Energieverbrauch jedoch schnell zur Fettleibigkeit“, so die Studienautoren. Das könnte eine Erklärung dafür sein, dass die Veranlagung für krankhaftes Übergewicht besonders bei Menschen in warmen Teilen der Welt verbreitet ist.

Die Ergebnisse tragen jedoch nicht nur zum Verständnis der Entwicklung von Übergewicht bei, sondern können auch für Krebsforscher von Interesse sein: Die verschiedenen Defekte des THADA-Gens stehen auch mit einem erhöhten Risiko für bestimmte Krebserkrankungen im Zusammenhang, wie beispielsweise für akute Leukämien, Schilddrüsenkrebs, Prostata- und Darmkrebs. Um diese Zusammenhänge jedoch besser zu verstehen, wären noch weitere Forschungen nötig.

Foto: © byrdyak - Fotolia.com

Hauptkategorie: Medizin
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Übergewicht , Adipositas , Ernährung

Weitere Nachrichten zum Thema Übergewicht

Viele Patienten mit starkem Übergewicht können ihren Alltag nur schwer bewältigen oder sogar ihrem Beruf nicht mehr nachgehen. Trotzdem finanzierten die Krankenkassen eine medizinisch begründete Therapie offenbar nach Belieben, kritisieren Selbsthilfeverbände. Der Bundestag soll das jetzt ändern.

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin