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Warum Ruhephasen für das Gehirn so wichtig sind

Samstag, 4. Januar 2020 – Autor: Anne Volkmann
In Ruhephasen rekapituliert das Gehirn bestimmte neuronale Muster, die bei vorherigen Erfahrungen aktiv waren. Forscher vermuten, dass diese Wiederholung von Aktivitätsmustern dazu beiträgt, aus Erfahrungen künftige Entscheidungen abzuleiten.
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Forscher konnten mittels MRT beobachten, wie das menschliche Gehirn in Ruhephasen Erfahrungen rekapituliert

Bei jeder Erfahrung, die wir machen, und jeder Entscheidung, die wir treffen, arbeiten unterschiedliche Bereiche des Gehirns zusammen. Diese für jede Situation spezifische Gehirnaktivität erzeugt messbare neuronale Muster. Wenn wir uns nun an die erlebten Erfahrungen oder getroffenen Entscheidungen erinnern, werden die gleichen Aktivitätsmuster im Hippocampus abgespielt wie bei der eigentlichen Aktion. Diese Muster sind mittels Magnetresonanztomografie (MRT) messbar. Was genau im Hippocampus passiert, nachdem wir komplexe Entscheidungen getroffen haben, konnten Forscher vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung sowie der Princeton University, nun beobachten und daraus interessante Schlüsse ziehen.

Beobachtung von Aktivitätsmustern

Für ihre Studie ließen die Forscher 33 Testpersonen in mehreren 40-minütigen Blöcken eine komplexe Entscheidungsaufgabe bearbeiten, während sie im Magnetresonanztomographen lagen. Dabei zeichnete das Forschungsteam die Hirnaktivität der Teilnehmenden auf und analysierte anschließend Signale im vorderen, stirnseitigen Teil des Gehirns, dem orbitofrontalen Cortex, sowie im Hippocampus.

Nach jedem Aufgabenblock sollten die Teilnehmer fünf Minuten pausieren und ruhig im MRT liegen bleiben. So konnten die Wissenschaftler beobachten, was in den Ruhephase nach dem Bearbeiten von komplexen Entscheidungsaufgaben im Gehirn passiert.

Wiederholung im Zeitraffer

Es zeigte sich, dass der Hippocampus in den Ruhephasen die für die vorherige Entscheidungsaufgabe typischen Aktivitätsmuster wiederholte. „Während die Teilnehmenden in den Pausen zwischen den Aufgaben ruhig dalagen, spielte der Hippocampus die soeben erledigte Entscheidungsaufgabe erneut ab“, erklärt Nicolas Schuck, Leiter der Forschungsgruppe NeuroCode am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.

„Dabei konnten wir die Reihenfolge der zuvor stattgefundenen Erlebnisse beobachten. Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass diese Wiederholung im Gehirn beschleunigt – quasi im Zeitraffer – geschieht. Das könnte ein Hinweis dafür sein, dass Ruhephasen eine Rolle beim Erlernen neuer Aufgaben spielen.“

Wiederholung hilft, aus Erfahrungen Entscheidungen abzuleiten

Die Beobachtung der schnellen neuronalen Wiederholungen im Hippocampus ermöglichte es den Wissenschaftlern zudem, einen Algorithmus zu entwickeln, der auf das Erkennen von Mustern programmiert ist. Sie trainierten den Algorithmus zunächst darauf, Aktivitätsmuster im Hippocampus zu erkennen, die sonst für das Auge oder herkömmliche Programme unsichtbar bleiben. Anschließend zeichneten sie die Aktivitätsmuster während des Ausruhens auf und analysierten, in welcher Reihenfolge der Algorithmus sie wiedererkannte.

„Die Fähigkeit des Hippocampus, Erfahrungen im Zeitraffer durchzuspielen, scheint eine zentrale Rolle dabei zu spielen, dass aus Erfahrungen Repräsentationen im Gehirn werden, die uns wiederum dabei helfen, Entscheidungen zu treffen“, so Yael Niv, Professorin für Neurowissenschaften an der Princeton University. Mit der neuen Methode ließe sich zukünftig genauer verstehen, welche Bedeutung dieser Prozess für bewusstes Planen und den Gedächtnisabruf hat. Die Forscher hoffen, dass dies auch dabei helfen wird, besser zu verstehen, was dieser Prozess mit unseren subjektiven Erfahrungen zu tun hat.

Foto: © Gorodenkoff - Fotolia.com

Hauptkategorie: Medizin
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