Warum Patienten in die Notaufnahme statt in die Arztpraxis gehen

Städter nutzen die Notaufnahme auch als Ersatz für einen Hausarzt
Ob Blasenentzündung oder Zeckenbiss – mindestens ein Drittel der Notaufnahmepatienten könnten mit ihrem medizinischen Anliegen durch niedergelassene Fach- oder Hausärzte versorgt werden, heißt es weiter in einer Mitteilung der Charité.
„Die Patienten nehmen die Rettungsstelle als eigenständigen Anlaufpunkt medizinischer Versorgung wahr. Interessant dabei war, das sich die Motive der Patienten aus ländlichen und städtischen Gegenden nur geringfügig unterscheiden“, erklärt Prof. Martin Möckel, Ärztlicher Leiter der Rettungsstellen am Campus Charité Mitte und am Campus Virchow-Klinikum.
Warum Patienten in die Notaufnahme statt in die Arztpraxis gehen
Die Beweggründe der Patienten waren schwer verfügbare Haus- und Facharzttermine, Zeitautonomie, die qualitativ hochwertige Versorgung sowie die Möglichkeit multidisziplinärer Untersuchungen während eines Aufenthalts. Darüber hinaus wurde auch die Empfehlung des niedergelassenen Arztes, eine Rettungsstelle aufzusuchen, angegeben.
Unterschied zwischen Stadt und Land: Die Befragten aus den ländlichen Regionen hatten alle hausärztliche Verbindungen, während in der Stadt einige die Notaufnahme als Ersatz für den Hausarzt beziehungsweise eine Arztpraxis nutzten.
Mehr Geld für Notfallmedizin gefordert
„Die strikte Trennung zwischen ambulanten und stationären Versorgungsangeboten ist nicht bedarfsgerecht ist und entspricht nicht der Lebenswirklichkeit der Patienten. Wenn wir die medizinische Qualität für Patienten aller Behandlungsbedürfnisse garantieren wollen, muss die Notfall- und Akutmedizin als eigener, dritter Sektor verstanden und dementsprechend finanziert werden“, folgert Prof. Möckel aus der Studie, die in der Fachzeitschrift BMJ erschien.
In den Rettungsstellen der Krankenhäuser binden die Bagatell-Fälle wichtige Ressourcen. Und der unkomplizierte Wespenstich, der in der Notaufnahme behandelt wird, ist für die Kliniken ein Minusgeschäft. Um das auszubalancieren, sieht das Krankenhausstrukturgesetz jetzt mehr Geld für die Rettungsstellen vor, auch um sie personell und qualitativ besser auszustatten.
Portal-Praxen können Patienten vorsortieren
Das kritisiert die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) als "Fehlsteuerung". Sie sieht den Grundsatz "ambulant vor stationär" verletzt. Das "ambulante Potenzial in der stationären Versorgung" müsse besser erschlossen werden, fordert Vorstand Dr. Andreas Gassen. Ein Ansatz sind Portalpraxen in den Rettungsstellen, die die Patienten nach Schweregrad vorsortieren.
Dazu zählt die Notfallambulanz am Unfallkrankenhaus Berlin-Marzahn, die von Klinik und Kassenärztlicher Vereinigung (KV) Berlin gemeinsam betrieben wird und in der auch Vertragsärzte beschäftigt sind. Patienten erhalten hier eine Ampelfarbe, die anzeigt, wie dringend die Behandlung ist. Auch in weiteren Berliner Krankenhäusern wurden in Kooperation mit der KV solche Praxen eingerichtet.
Die KVen betreiben bundesweit auch einen telefonischen, notärztlichen Bereitschaftsdienst, der aber nicht allen Patienten bekannt ist.
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