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Warum Nerven nach einer Verletzung chronisch schmerzen können

Mittwoch, 1. Juni 2022 – Autor:
Nerven können sich nach Verletzungen meist gut wieder erholen. Trotzdem kann es zu einem dauerhaften Schmerz kommen. Die Ursachen für den neuropathischen Schmerz beschreiben nun Wissenschaftler aus Heidelberg im Fachmagazin Nature.
Fehlerhafte Reinnervation nach Verletzung: Mit der Nervenregeneration kommt der chronische Schmerz

Fehlerhafte Reinnervation nach Verletzung: Mit der Nervenregeneration kommt der chronische Schmerz – Foto: © AOK Mediendienst

Bei einem tieferen Schnitt in die Haut oder einer Quetschung werden auch Nerven verletzt. Solche Nervenverletzungen heilen meist von selbst wieder aus. Dennoch kann es zu dauerhaften Missempfindungen oder Schmerzen im betroffenen Bereich kommen. Manchmal entstehen die Schmerzen erst im Zuge der Regeneration. Warum, das haben nun Wissenschaftler der Universität Heidelberg ergründet. Diese Form des neuropathischen Schmerzes wurde bislang noch nicht untersucht. Die Ergebnisse sind jetzt im Fachmagazin Nature erschienen.

Gesunde und geschädigte Nervenfasern stören Regeneration

Die jetzt untersuchten fraglichen neuropathischen Schmerzen treten nach traumatischen Verletzungen wie etwa Quetschungen auf: Dabei sind nicht alle Fasern eines zum Beispiel die Haut versorgenden Nervs geschädigt. Daneben gibt es noch intakte Fasern, deren Verbindung zur Haut weiterhin besteht. Das Nebeneinander von intakten und geschädigten Nervenfasern scheint das Problem zu sein. Denn die neuen Ergebnisse zeigen, dass die chronischen Schmerzen nicht etwa durch die eigentliche Verletzung entstehen, sondern dass es zu einer fehlerhaften „Verschaltungen“ der Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) kommt. Das heißt: Die Wiederherstellung der nervalen Versorgung (Reinnervation) läuft fehlerhaft ab.

Fehlerhaften „Verschaltungen“ der Schmerzrezeptoren

Wie die Forscher weiter berichten, regenerieren die taktilen Nervenfasern, die Berührungsreize an Rückenmark und Gehirn weiterleiten, nach der Verletzung nicht oder nur langsam – daher das anfängliche Taubheitsgefühl. Die schmerzleitenden Fasern sind hingegen dazu schneller in der Lage, sie nehmen demnach statt der sensorischen Fasern den Platz der gekappten Berührungssensoren in der Haut ein. Die Folge: Jeder taktile Reiz wirkt nun wie ein Schmerzreiz – selbst ein sanftes Streicheln oder das Gefühl von Kleidung auf der Haut kann dann Schmerzen verursachen.

„Die Ursache der Schmerzen ist eine falsche Verschaltung von Sensoren und tritt entsprechend erst nach einiger Zeit auf, wenn die Verbindung hergestellt ist. Diese Form des chronischen Schmerzes ist also die unmittelbare Folge der Reinnervation der Sensoren durch schmerzleitende Fasern bei gleichzeitig ausbleibender Reinnervation der taktilen Nervenfasern“, sagt Erstautor Dr. Vijayan Gangadharan.

Die Untersuchungen wurden an Tieren und mit speziell angepassten Bildgebungsverfahren durchgeführt, mit denen die Forscher die Heilung der Nervenfasern über Monate verfolgen analysieren konnten.

Keine Behandlung gegen diesen chronischen Schmerz

Nerventraumata oder Quetschungen, bei denen verletzte und intakte Nervenfasern in direktem Kontakt stehen, sind besonders anfällig für die Entwicklung chronischer neuropathischer Schmerzen. Derzeit gibt es keine Behandlungsmöglichkeit, diese Form von chronischen Schmerzen zielgerichtet zu lindern oder zu verhindern. Das interdisziplinäre Team vom Heidelberger Sonderforschungsbereich „Von der Nozizeption zum chronischen Schmerz“ will sich daher zukünftig mit der Frage beschäftigen, wie die verletzten taktilen Fasern zur Regeneration angeregt werden können, damit es erst gar nicht zum Verlust des Gleichgewichts zwischen Berührungs- und schmerzhaften Empfindungen kommt.

Hauptkategorie: Medizin
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