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Warum es trotz Impfung zu Ausbrüchen in Pflegeheimen kommt

Freitag, 11. Juni 2021 – Autor:
Ältere Menschen scheint die Covid-Impfung nicht vollständig vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen. Das zeigen wiederholte Ausbrüche in Pflegeheimen. Wissenschaftler der Charité haben nun einen Ausbruch näher untersucht – und kommen zu interessanten Ergebnissen.
Geimpft und trotzdem ein Corona- Ausbruch im Pflegeheim: Bei älteren Menschen fällt die Impfantwort schwächer aus als bei jüngeren

Geimpft und trotzdem ein Corona-Ausbruch im Pflegeheim: Bei älteren Menschen fällt die Impfantwort schwächer aus als bei jüngeren – Foto: © Adobe Stock/ Photographee.eu

Corona-Ausbrüche in Pflegeheimen sollten eigentlich der Vergangenheit angehören. Denn Pflegeheimbewohner waren die ersten, die gegen Covid-19 geimpft wurden. Obwohl der Impfstoff von Biontech/Pfizer mehr als 90 Prozent Wirksamkeit verspricht, ist es auch nach den Impfungen in Pflegeeinrichtungen zu Ausbrüchen gekommen. Aber warum?

Wissenschaftler der Charité haben diese Frage nun im Rahmen einer Studie untersucht. Sie kommen zu dem Schluss, dass ältere Personen eine deutlich schwächere Impfantwort haben als jüngere. Deswegen konnten sich die Pflegebedürftigen mit dem Coronavirus infizieren, aber ohne einen schweren Verlauf zu erleiden. Die Ergebnisse sind soeben im Fachjournal „Emerging Infectious Diseases“ erschienen.

Ausbruch in Berliner Pflegeeinrichtung untersucht

Für die Untersuchung arbeitete das Team um den Impfstoffforscher Prof. Eric Sander von der Charité einen Ausbruch in einer Berliner Pflegeeinrichtung auf. Dort hatten sich im Februar elf Pflegekräften ohne vollständigen Impfschutz sowie 20 Bewohner mit dem Coronavirus angesteckt, davon waren 16 vollständig mit dem BioNTech/Pfizer-Vakzin geimpft. Die vier ungeimpften Bewohner erkrankten so schwer erkrankten, dass sie in einem Krankenhaus behandelt werden mussten. Dagegen traten nur bei jedem dritten geimpften Krankheitszeichen wie Husten und Atemnot auf. Vier weitere geimpfte Heimbewohner steckten sich trotz Exposition während des Ausbruchs nicht mit SARS-CoV-2 an.

Untersuchungen von Abstrichen zeigten: Geimpfte wiesen tendenziell weniger Viruslast im Rachen auf als Ungeimpfte. Außerdem war bei ihnen das Virus nur knapp acht Tage lang nachweisbar, während es bei den ungeimpften im Schnitt 31 Tage waren. Zwei Todesfälle, die sich anschließend unter den Geimpften ereigneten, bringen die Forscher aufgrund der jeweiligen Todesumstände nicht in Zusammenhang mit Corona.

Schutz vor schweren Krankheitsverläufen gegeben

„Auf der einen Seite sehen wir an diesem Ausbruch, dass die Impfung die Bewohnerinnen und Bewohner des Pflegeheims insgesamt geschützt hat, denn ihre Krankheitsverläufe waren deutlich milder“, ordnet Studienautor Dr. Victor Corman vom Institut für Virologie der Charité die Ergebnisse ein. „Die kürzere Virusausscheidung hat außerdem vermutlich weitere Übertragungen verhindert. Gleichzeitig wird durch die Häufung der Infektionen klar, dass die hohe Wirksamkeit der Impfung bei alten Menschen manchmal nicht voll zum Tragen kommt.“

Nachweislich geringere Immunantwort

Wie die Wissenschaftler weiter feststellten wurde der Ausbruch von der britischen Virusvariante B.1.1.7 ausgelöst. Die neuerdings „Alpha“ genannte Virusmutation geht generell mit einer höheren Virusmenge im Rachen und einer größeren Übertragbarkeit einher. Dies könnte einer der Gründe für das Ausbruchsgeschehen sein, vermutet das Forscherteam. Ein anderer Grund scheint in der geringeren Immunantwort älterer Menschen zu liegen. Dazu verglichen die Forscher die Immunreaktion auf den BioNTech/Pfizer-Impfstoff bei über 70-jährigen Patienten einer Hausarztpraxis mit der von Charité-Beschäftigten, die im Schnitt 34 Jahre alt waren. Während drei Wochen nach der ersten Dosis etwa 87 Prozent der Jüngeren Antikörper gegen SARS-CoV-2 gebildet hatten, waren es unter den Älteren nur rund 31 Prozent. Einen Monat nach der zweiten Dosis hatten fast alle jungen Impflinge (99 Prozent) SARS-CoV-2-spezifische Antikörper im Blut, unter den älteren waren es rund 91 Prozent. Zusätzlich reiften die Antikörper bei den Älteren langsamer und auch die T-Zell-Antwort fiel schwächer aus.

Schutz der Älteren muss weitergehen

„Unsere Studie zeigt also, dass bei älteren Menschen die Immunantwort nach der Impfung deutlich verzögert ist und nicht das Niveau von jungen Impflingen erreicht“, resümiert Leif Erik Sander. Man könne die Wirksamkeit der Impfung nicht anhand eines einzelnen Ausbruchs berechnen. Insgesamt seien die Infektionszahlen in den Pflegeheimen seit Beginn der Impfkampagne dramatisch gesunken. „Aber es gibt einzelne Ausbrüche und dann scheinen ältere Menschen empfänglicher zu sein als jüngere, da bei manchen die Immunantwort etwas schwächer ausfällt.“

Die Autoren schließen daraus, dass weiterhin Hygienemaßnahmen und Tests erforderlich sind, um Ältere vor einer Corona-Infektion zu schützen. Insbesondere empfehlen sie, die Impfung des pflegerischen Personals sowie der Besucher in Pflegeheimen. „Mittelfristig kommt sicherlich auch eine weitere Auffrischimpfung für ältere Menschen infrage, um deren Impfschutz zu verbessern“, so Impfexperte Leif Erik Sander.

Hauptkategorien: Berlin , Corona , Medizin , Pflege
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