Warum die Therapie von Vorhofflimmern immer auch Schlaganfall-Prävention ist

Vorhofflimmern erkennt man an einem unregelmäßigen Puls. Durch eine bessere Frühdiagnostik könnten jedes Jahr Tausende Schlaganfälle vermieden werden
Mit schätzungsweise 1,8 Millionen Betroffenen gehört Vorhofflimmern (VHF) zu den großen Volkskrankheiten. Experten gehen dabei von einer hohen Dunkelziffer aus, denn die Herzrhythmusstörung macht oft kaum Symptome und wird deshalb auch lange nicht entdeckt. Da mit der Zeit der linke Vorhof immer größer wird, sinken die Chancen, das Herz mit Medikamenten oder der Kardioversion – einer Art Elektroschock – wieder in den richtigen Rhythmus zu bringen. Gleichzeitig steigt das Schlaganfallrisiko auf das Fünffache an. Im aktuellen „Weißbuch“ mahnen Experten des IGES-Instituts daher zu einer besseren Frühdiagnostik: „Das Weißbuch zeigt, dass Vorhofflimmern zu selten oder zu spät erkannt und häufig nicht angemessen behandelt wird“, sagt Hans-Holger Bleß, Leiter des Bereichs Versorgungsforschung am IGES-Institut. Dabei sei die Diagnostik eigentlich ganz einfach: Patienten sollten ihre Pulsfrequenz hin und wieder selbst messen und Ärzte dies generell bei alle Patienten ab 65 Jahren tun, rät der Experte. „Bei unregelmäßigem Puls sollte der Arzt unbedingt ein EKG durchführen“, so Bleß.
Fünffach erhöhtes Schlaganfall-Risiko.
Mit einem EKG kann der Arzt herausfinden, ob es sich tatsächlich um Vorhofflimmern handelt. Hierbei schlagen die Vorhöfe des Herzens mit sehr viel höherer Frequenz als normalerweise und können sich nicht mehr effektiv zusammenziehen. Dadurch wird der Bluttransport gestört, sodass es zur Bildung von Blutgerinnseln im Herzen kommen kann. Wenn sie sich lösen und in die gehirnversorgenden Blutgefäße gelangen, droht ein Gefäßverschluss, also ein ischämischer Schlaganfall.
Untersuchungen legen nahe, dass mehr als ein Drittel der Schlaganfälle durch Vorhofflimmern verursacht werden und diese oft ganz besonders schwer verlaufen. Die Therapie des Vorhofflimmerns ist darum immer eine Schlaganfallprävention. Doch laut Weißbuch sind bis zu 43 Prozent der diagnostizierten VHF-Patienten nicht oder nicht ausreichend mit präventiven Medikamenten - der so genannten oralen Antikoagulation - versorgt. So zeigen Daten der Krankenkasse, dass bei knapp jedem zweiten behandlungsbedürftigen Patienten über die Hälfte des Jahres nicht sicher durch eine Verordnung eines Blutgerinnungshemmers abgedeckt ist. Sogar in der spezialisierten, fachärztlichen Versorgung erhalten Studien zufolge zwischen 13 und 43 Prozent der Patienten mit Vorhofflimmern keine Antikoagulation.
Tausende Schlaganfälle könnten vermieden werden
„Ein möglicher Grund ist, dass Patienten mehr Angst vor medikamentös bedingten Nebenwirkungen wie Blutungen haben als vor einem Schlaganfall und daher die Therapie ablehnen“, vermutet Bleß. Zudem fehle es oft an der nötigen Compliance, das heißt, die verschriebenen Blutgerinnungshemmer werden nicht eingenommen. Patienten sollten ihre Bedenken mit dem Arzt besprechen, meint der Experte. Umgekehrt sollten Ärzte die Patienten sachlich und verständlich über die Risiken des Vorhofflimmerns und den Nutzen einer Behandlung zum Schutz vor Schlaganfällen aufklären. „In vielen Fällen überwiegt der Nutzen einer Schlaganfallprävention“, so Bleß. Würde man entsprechende Maßnahmen ausweiten, könnten in Deutschland jährlich rund 9.400 Schlaganfälle vermieden werden.
Blutgerinnungshemmer sind für Patienten mit Vorhofflimmern aber nicht das einzige Mittel zur Schlaganfallprävention. Auch zusätzliche Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder Zucker- und Fettstoffwechselstörungen sollten erkannt und behandelt werden, raten die Weißbuch-Autoren.
Die Folgen sind schwerwiegend und teuer
In Deutschland erleiden jedes Jahr 270.00 Menschen einen Schlaganfall. Etwa jeder Dritte stirbt innerhalb eines Jahres daran. Die anderen leiden häufig ihr Leben lang an den Folgen wie beispielsweise einer Halbseitenlähmung, Sprachstörungen oder eingeschränkten Gedächtnisleistungen. Abgesehen von dem persönlichen Schicksalsschlag belasten Schlaganfälle das Gesundheitssystem stark. Allein die direkten Kosten für Akutbehandlung und Reha betragen pro Patient im Schnitt 43.000 Euro.
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