
Nebenwirkungen und entzündliches Rheuma unter Kontrolle: SEMIRA-Studie zeigt, dass das frühzeitige Absetzen von Kortison gelingen kann
Dauerhaft Kortison einnehmen, das ist für Menschen mit entzündlichen Erkrankungen wie Rheuma häufig die Regel. Doch die Nebenwirkungen können beträchtlich sein. Die Kortison-Präparate unterdrücken langfristig die Produktion von körpereigenem Kortison in der Nebenniere, was zu Müdigkeit, Übelkeit bis hin zum Blutdruckabfall führen und lebensbedrohlich werden kann. Zudem kann es zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose und gehäuften Infektionen kommen.
Darum stellt sich in der Rheuma-Therapie immer die Frage, wann das Kortison-Präparat abgesetzt werden kann, ohne dass die Entzündung wiederkehrt. Bekannt ist, dass die Glucocorticoide langsam ausgeschlichen werden müssen, um den Körper langsam an die veränderte Dosierung zu gewöhnen und ein Entzugssyndrom zu verhindern. Doch in der Praxis erweist sich dieses Spagat oft als schwierig.
Prednison ausgeschlichen und nach vier Monaten ganz abgesetzt
Wie das langsame Absetzen mit dem häufigsten Kortisonpräparat Prednison gelingen kann, das zeigt nun die europäische SEMIRA-Studie unter Federführung der Charité. Verglichen wurde niedrig dosiertes Prednison in einem bestimmten Absetz-Schema mit einer gleichbleibenden Dosis über sechs Monate.
Alle 250 Studienteilnehmer litten an rheumatoider Arthritis (RA) und hatten zunächst mindestens über sechs Monate hinweg Glucocorticoide erhalten und damit ihre Erkrankung weitgehend unter Kontrolle. Anschließend wurde die Therapie mit niedrig dosiertem Prednison schrittweise nach einem bestimmten Absetz-Schema reduziert und schließlich nach vier Monaten ganz abgesetzt. Die Kontrollgruppe wurde dagegen sechs Monate lang mit einer gleichbleibenden Dosis weiterbehandelt. Beide Gruppen erhielten darüber hinaus eine Begleittherapie mit dem Interleukin-6-Rezeptor-Antikörper Tocilizumab.
Absetz-Schema bei 65 Prozent der Rheuma-Patienten erfolgreich
Die Fortsetzung der Kortisontherapie zeigte zwar einen etwas besseren Behandlungserfolg, aber auch das Absetzen gelang in den meisten Fällen. So gelang es bei 77 Prozent der Rheuma-Patienten in der Kontrollgruppe, ein Wiederaufflammen der Entzündungen zu verhindern. Ein solcher Behandlungserfolg stellte sich auch bei 65 Prozent der Betroffenen ein, deren Therapie nach einem Absetz-Schema heruntergefahren wurde. Schwerwiegende Probleme wie klinisch relevante Veränderungen der Laborwerte oder Entzugserscheinungen bleiben in beiden Gruppen aus.
Ergebnisse für die klinische Praxis relevant
„Die Behandlungserfolgsrate von 65 Prozent beim Ausschleichen der Kortisonpräparate ist für eine gemeinsame Entscheidungsfindung mit den Betroffenen von großer Bedeutung“, kommentiert Erstautor der Studie Prof. Gerd Rüdiger Burmester von der Charité die Studienergebnisse. Es könne nun im Einzelfall beurteilt werden, ob eine weitere Therapie mit Glucocorticoiden sinnvoll sei oder ein Absetzen versucht werde.
„Unsere Ergebnisse bieten zudem einen Rahmen für Untersuchungen zum Absetzen von Glucocorticoiden auch in anderen Therapiesituationen – etwa in der Allergologie, Neurologie oder Dermatologie –, bei denen diese Präparate ebenfalls verabreicht werden und eine Ungewissheit hinsichtlich der Risiken und Vorteile eines Absetzens besteht.“
Die Ergebnisse der Studie “Continuing versus tapering glucocorticoids after achievement of low disease activity or remission in rheumatoid arthritis (SEMIRA): a double-blind, multicentre, randomised controlled trial” sind soeben im Fachmagazin „The Lancet“ erschienen
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