Viruslast-Studie der Charité: Sind Kinder wirklich genauso ansteckend wie Erwachsene?

Zwei Studien der Charité zur Ansteckungsfähigkeit von Kindern geben viel Raum zur Interpretation – Foto: © Adobe Stock/ Africa Studio
Wie viele Menschen ein Coronainfizierter ansteckt, hängt von vielen Faktoren ab, etwa der Dauer der Kontakte, der individuellen Viruslast im Rachen und der Ausscheidung von Aerosolen. Um herauszufinden, ob bestimmte Personengruppen infektiöser sind als andere, haben Forscher der Charité um Christian Drosten 25.000 PCR-Abstriche auf die Virusmenge hin untersucht.
Dabei bestimmten die Forscher die Zahl der Erbgutkopien, die annährend die Virusmenge im Rachen der Patienten repräsentiert. Anhand dieser Zahl wurde abgeschätzt, ob das Virus vermehrungsfähig, also infektiös ist. In mehr als 4.300 Fällen lagen mehrere Abstrichproben vor, so dass die Forscher die typische Entwicklung der Viruslast im Rachen nachvollziehen konnten. Anschließend verglich das Forscherteam die Daten mit dem Alter der Patienten und den Symptomen.
Alle Altersgruppen gleich infektiös
Bei Erwachsenen zwischen 20 und 65 Jahren zeigte sich hinsichtlich der Viruslast kein nennenswerter Unterschied. In den Proben der jüngsten Kinder zwischen 0 und 5 Jahren fand das Forschungsteam mit etwa 800.000 Erbgutkopien die niedrigsten Viruslasten: Bei älteren Kindern und Jugendlichen glichen sich die Werte mit steigendem Alter denen der Erwachsenen an.
Laut Drosten bedeutet dies jedoch nicht, dass kleine Kinder weniger ansteckend als Erwachsene sind. Denn zum einen lägen die Viruslast-Unterschiede bei den jüngsten Kindern gerade noch unterhalb der Grenze dessen, was man als klinisch relevant betrachten würde, meint der Virologe. Zum anderen gebe es deutliche Unterschiede bei der Probenentnahme: „Bei Kindern werden deutlich kleinere Abstrichtupfer eingesetzt, die weniger als halb so viel Probenmaterial in die PCR-Testung einbringen. Außerdem werden bei ihnen statt der schmerzhaften tiefen Nasenrachen-Abstriche oft einfache Rachenabstriche gemacht, in denen sich noch mal weniger Virus findet“, wird Christian Drosten in einer Pressemeldung der Charité zitiert.
Sein anfänglicher Eindruck einer ungefähr gleich großen Infektiosität aller Altersgruppen habe sich bestätigt, „nicht nur hier, sondern auch in anderen Studien“, betont Drosten.
Kinder verbreiten weniger Aerosole
Aber kann man aus diesen Labordaten wirklich schließen, wie ansteckend Kinder tatsächlich im Alltag sind? Schließlich wird das Coronavirus hauptsächlich über Aerosole übertragen. Und hiervon scheinen Kinder deutlich weniger auszuscheiden als Erwachsene. Pikanterweise hat dies ein Kollege Drostens der Phoniater Dirk Mürbe von der Charité zusammen mit der TU Berlin in einer Studie gezeigt. Mürbe berichtet darin, dass Kinder beim Sprechen und Singen viel weniger Aerosole verbreiteten als Erwachsene. So würden Kinder im Grundschulalter beim Sprechen in etwa so viele Partikel wie Erwachsene beim Atmen emittierten. Beim Singen ungefähr genauso viele wie Erwachsene beim Sprechen. An der Studie nahmen den Angaben zufolge 15 Kinder zwischen acht und zehn Jahren und ebenso viele Erwachsene teil.
Allerdings kann auch diese Studie nicht wirklich beantworten, wie ansteckend Kinder im Vergleich zu Erwachsenen wirklich sind. Denn offen bleibt die Frage, wie viele vermehrungsfähige Viruspartikel in den Aerosolen sind und wie viele davon bei anderen Personen ankommen und diese infizieren.