Virologe Kekulé: Dieses Virus war gerade noch in der Fledermaus zuhause

Auch Omikron nicht ganz harmlos: Erst vor gut zwei Jahren ist das Coronavirus auf den Menschen übergesprungen – Foto: © Adobe Stock/ Romolo Tavani
Sämtliche zugelassene Corona-Impfstoffe sind auf Basis des ursprünglichen SARS-COV-2 Virus aus Wuhan entwickelt worden. Dieser Virus-Typ zirkuliert schon lange nicht mehr in der Welt. Omikron beherrscht augenblicklich das Infektionsgeschehen – eine Variante, die sich deutlich von dem „Original“ aus Wuhan unterscheidet. Die Unterschiede betreffen überwiegend das Spike-Protein, also das Antigen, auf das die Impfstoffe zielen. Über 30 Mutationen wurden an dem „Stachel“, mit dem das Virus, in die Zelle eindringt, festgestellt.
Omikron hat sich immunologisch vom Wuhan-Typ entfernt
Deswegen stecken sich auch so viele geimpfte und geboosterte Menschen mit Omikron an, wenngleich nur wenige schwer daran erkranken. Aber eine natürliche Infektion scheint besser zu schützen, weil das Immunsystem eben nicht nur das Spike-Protein, sondern viele andere Komponenten des Virus erkennt.
Eine aktuelle Studie der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC zeigt, dass Delta-Infizierte Genesene einen besseren Schutz vor einer Neuansteckung hatten als zweimal Geimpfte. Da sich Omikron immunologisch noch weiter vom Wuhan-Typ entfernt hat, gehen Experten davon aus, dass die natürliche Infektion hier weiterhin besser vor schwerer Krankheit schützt als die Vakzine. Zu diesen Experten gehört auch der Virologe und Epidemiologe Alexander Kekulé von der Universität Halle.
Impfen sicherer als sich anstecken
„Bei Omikron ist einfach die Chance, dass man durch eine vorherige Infektion einen gewissen Schutz vor schweren Verläufen hat … höher als bei einer Impfung“, sagte Kekulé im Corona-Podcast des MDR am Donnerstag. „Das sei aber keine Aufforderung, sich infizieren zu lassen“, betonte er. „Das ist ein Virus, was gerade noch in der Fledermaus zuhause war. Mit dem sollte man sich nicht aus Spaß anstecken.“ Auch die Autoren der vom CDC veröffentlichen Studie bekräftigen, die Impfung sei "nach wie vor die sicherste Strategie zum Schutz vor Covid-19.“
Der Punkt ist: Auch die harmlosere Omikron-Variante kann für Menschen gefährlich werden, die noch nie Kontakt zu einem Coronavirus hatten, vor allem natürlich für die vulnerablen Gruppen. Noch ist Omikron nämlich keine normale Grippe, sondern das Virus passt sich erst langsam an den Menschen an. Laut Alexander Kekulé ist es da besser, erst den Impfstoff und dann die Infektion mitzunehmen.
Grippe bietet eine Orientierung
Allerdings sieht der Virologe auch langfristig nicht die entfernteste Chance, dass wir das Coronavirus respektive Covid-19 loswerden könnten. „Wir werden nicht null Tote bekommen. Wir werden auch nicht null Covid bekommen“, erklärte Kekulé. Vielmehr werde es so sein, dass auch in der endemischen Lage jedes Jahr immer wieder Menschen an Covid erkrankten und stürben. „Aber die Frage ist, wie weit wir uns gesellschaftlich davon sozusagen dominieren lassen.“
Den Vergleich mit den Grippetoten, den gerade Großbritanniens Gesundheitsminister Sajid Javid bemühte, als er sagte „Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben“, findet Kekulé prinzipiell legitim. Die Grippe sei eine Orientierung. „Wenn das dann so wäre, dass die Zahl der Toten in einem Bereich ist von einer Krankheit, die wir schon lange akzeptiert haben, dann müssten wir eigentlich sagen: Das war's jetzt mit dem Corona-Alarm.“