Vier Ideen "Made in Berlin" ausgezeichnet
Das BMBF lobt in diesem Jahr bereits zum elften Mal den "Innovationswettbewerb Medizintechnik" aus. Besonders innovative, originelle und wegweisende Forschungs- und Entwicklungsideen der Medizintechnik werden ausgewählt und vom BMBF gefördert. Die Ideen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich für praktische medizinische Anwendungen eignen und zugleich die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft fördern. Ziel des Wettbewerbs ist es, den Weg von der ersten Idee bis zur Markteinführung innovativer Medizintechnik zu beschleunigen. Hierzu fördert das BMBF die diesjährigen elf Gewinnerprojekte mit mehr als 5,1 Millionen Euro. Davon entfallen etwa 1,5 Millionen Euro auf die Berliner Gewinner.
Die Berliner Wissenschaftler überzeugten die Jury mit vier Ideen:
Aufblasbare Bakteriensperre für Katheter
Im Krankenhaus erworbene Infektionen stellen eine erhebliche Gefahr für Patienten dar. Hierbei birgt vor allem die direkte Verbindung von der Aussenwelt zur Blutbahn durch einen Katheter die Gefahr, dass Krankheitserreger eingeschleppt werden können und für örtliche Infektionen bis hin zur Blutvergiftung sorgen. Besonders problematisch sind hier Dauerkatheter. Vor allem im Katheter-Hohlraum können sich dann Bakterien sammeln, vermehren und anschliessend in den Organismus eindringen, wenn keine Flüssigkeit durch den Katheter fliesst. Ein Wissenschaftlerteam um Prof. Dr.-Ing. Klaus Affeld vom Labor für Biofluidmechanik der Charité-Universitätsmedizin Berlin arbeitet jetzt an einer Lösung: Die Wissenschaftler wollen einen Katheter mit einem Ballon einsetzen, der in den Nutzungspausen die Katheterleitung vollständig ausfüllt. Somit wäre den Bakterien der Zugang in den Körper versperrt und sie können sich dort nicht unbeeinflusst von der körpereigenen Abwehr vermehren. Die Neuentwicklung soll eine bedeutende Gesundheitsgefahr im Krankenhaus dort bekämpfen, wo sie entsteht, und mit geringem Aufwand zahlreiche gesundheitliche Komplikationen verhindern.
Verschlucken verhindern
Schlucken ist ein lebensnotwendiger Vorgang. Solange der Ablauf reibungslos funktioniert, macht man sich keine Gedanken darüber. Vor allem nach einem Schlaganfall oder einer Schädelhirnverletzung können aber viele Patienten die Schluckabläufe nicht mehr richtig steuern. Für sie besteht ständig die Gefahr, dass Nahrung in die Luftröhre statt in die Speiseröhre gelangt. Die Folge sind unter anderem bedrohliche Lungenentzündungen. Hier hilft oftmals nur eine Ernährung über eine Magensonde und eine Kanüle in der Luftröhre als Schutz vor "Verschlucken" - eine Behinderung, die das Leben schwer beeinträchtigt. Unter der Leitung von um Dr. Thomas Schauer arbeiten Forscher der Technischen Universität Berlin jetzt zusammen mit Medizinern der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde des Unfallkrankenhaus Berlin an einer Lösung: Eine Neuroprothese stimuliert durch Elektroden die für das Schlucken notwendigen Muskeln und unterstützt dabei den Bewegungsablauf. Ein neuartiges Messsystem prüft dabei ständig den Erfolg der Schluckbewegung. Falls sich der Patient verschluckt, löst die Neuroprothese ein Husten oder Räuspern aus. Ist das Verfahren erfolgreich, könnten viele der betroffenen Patienten zukünftig wieder ohne Angst vor einem Verschlucken essen und trinken.
Edelgas-Sensor fürs Immunsystem
Bei Autoimmunkrankheiten wie Rheumatoider Arthritis oder Multipler Sklerose reagiert das Immunsystem irrtümlich gegen körpereigenes Gewebe. Die Folge sind starke Entzündungsreaktionen. Welche Rolle spielen Umweltfaktoren bei der Entstehung dieser Krankheiten? Welche Bedeutung kommt vererbbaren Faktoren zu? Im Detail ist das bis heute noch nicht entschlüsselt. Ein Wissenschaftlerteam um Dr. Lorenz Mitschang von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Berlin arbeitet jetzt in Zusammenarbeit mit Forschern der Freien Universität Berlin an einer Lösung. Sie wollen zur Klärung dieser Frage die Magnetresonanztomografie um ein innovatives Verfahren erweitern. Um spezielle Oberflächenmoleküle von Immunzellen gezielt zu markieren, wollen sie einen Biosensor einsetzen. Dieser Sensor besteht aus sogenannten "Molekülkäfigen", die das Edelgas Xenon enthalten. Da Xenon durch die Magnetresonanztomografie mit hoher Empfindlichkeit sichtbar gemacht werden kann, können auf diese Weise die immunologisch wichtigen Moleküle direkt im Körper beobachtet werden. Die Technik soll später in der Diagnostik von Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden.
Wunden verschweissen, statt sie zu nähen
Nach chirurgischen Eingriffen am Darm werden bislang die Enden der verbliebenen Darmabschnitte mit Naht- oder Klammertechniken zusammengefügt. Es besteht aber ein gewisses Restrisiko, dass diese Verbindungen undicht werden oder sogar reissen können. Wissenschaftler der Technischen Universität Berlin entwickeln gemeinsam mit Medizinern der Charité eine schonende Alternative. Unter der Führung von Prof. Dr.-Ing. Marc Kraft vom Institut für Konstruktion, Mikro- und Medizintechnik der Technischen Universität wollen sie mit kleinen Instrumenten die Darmwandenden zusammendrücken, anschliessend erhitzen und so dauerhaft miteinander verschweissen. Mit dieser "Thermofusionstechnik" sollen sowohl die Wundheilung als auch die Sicherheit entscheidend verbessert werden. Ist das Verfahren erfolgreich, könnte es für die so genannte Schlüsselloch-Chirurgie zur Standard-Nahttechnik werden und die Folgekosten gefährlicher Komplikationen verringern.