Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Video-Treffen kein Ersatz für echte Nähe

Samstag, 3. April 2021 – Autor:
Seit Beginn der Covid-19-Pandemie war es der Rat: Auf digitalen Kontakt umstellen, um sich innerlich nahezubleiben – trotz körperlicher Distanz. Eine Studie der Universität Duisburg-Essen zeigt jetzt: Die psychologische Wirkung von organisierten Begegnungen über audiovisuelle Kommunikation ist begrenzt. Die anderen bleiben einem nicht nur physisch fern, sie fühlen sich auch fern an.
Video-Treffen an Weihnachten.

„Ich seh‘ dich, aber fühl‘ dich nicht“: Sozialpsychologen der Universität Duisburg-Essen fanden heraus, dass Menschen sich innerlich entfernt fühlen, auch wenn sie sich gleichzeitig sehen und hören können. – Foto: Drazen

Seit Beginn der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 hat sich vieles geändert: Die Oma liest dem Enkel im Videoanruf etwas vor und die gesellige Runde trifft sich im abendlichen Online-Meeting. Das Lachen unserer Freundin auf dem Display sehen, ihre Stimme hören: Es ist, als stünde sie vor uns. Laut der in den 1970er-Jahren entwickelten „Propinquity-Theorie“ sollte unsere erlebte Nähe mit der Vielfalt der verwendeten Kanäle wachsen. Doch Sozialpsychologen der Universität Duisburg-Essen stellen jetzt diese vermeintlich gefestigte Theorie in Frage. Sie fanden heraus, dass wir uns in Pandemiezeiten nicht näher fühlen, selbst wenn unsere Kommunikation mehrere Sinne parallel anspricht.

„Die Wirkung von audiovisueller Kommunikation ist begrenzt“

„Die Wirkung von audiovisueller Kommunikation ist begrenzt“, sagt Sozialpsychologin Nicole Krämer, die Leiterin des Forschungsteams. „Die anderen bleiben auch gefühlt entfernt, selbst wenn wir sie sehen und hören können.“ Basis für diese Erkenntnisse waren mehrere Online-Befragungen während des ersten bundesweiten Lockdowns Deutschland im März und April 2020.

Spontane Kurzbotschaften unterstützen aber emotional

Trotzdem ist der „tele“-kommunikative Kontakt („tele“ = altgriechisch: „fern“) offenbar allemal besser als keiner. Spontane Nachrichten per SMS oder Messengerdienst seien authentische Botschaften, mit denen sich Menschen, die zu sozialer Distanz gezwungen seien, gegenseitig tatkräftig und emotional unterstützen könnten, so die Erkenntnis aus den Befragungen. „‚Du bist in Quarantäne?‘ ‚Was brauchst du aus dem Supermarkt?‘ als schnell abgesetzter Text, das lustige Video aufs Smartphone – all das vermittelt ein Gefühl von ‚Ich bin nicht bei dir, aber denke an dich‘“, berichten die Sozialpsychologen der Uni Duisburg-Essen.

Geplante Meetings erleben wir als unnatürlicher

„Per Nachricht tauschen wir uns schon lange mit Freunden und Familie aus – völlig unabhängig von Covid-19 und auch, wenn sie direkt nebenan wohnen“, beschreibt Sozialpsychologin Krämer einen möglichen Erklärungsansatz. „Der Videoanruf oder gar das terminierte Treffen per Online-Portal am Abend, das wirkt in dem Personenkreis dagegen unnatürlicher. Zudem setzen wir eine Nachricht spontan, zügig und damit regelmäßiger ab, wohingegen audiovisueller Kontakt in Echtzeit meist geplant wird.“

SMS und Chat: Gut zur psychologischen Pandemiebewältigung

In der Verbundenheit per Kurznachrichten sehen die Wissenschaftler ein maßgebliches Instrument zur psychologischen Pandemiebewältigung. „Insbesondere der Austausch per Nachricht führt dazu, dass wir uns besser fühlen und uns eher an die Maßnahmen zur Kontaktreduktion halten“, so Doktorand Jan Kluck, Erstautor der Studie. „Das ist ein erstaunliches Ergebnis.“

Hauptkategorie: Corona
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Forschung , Infektionskrankheiten , Coronavirus , Psychische Krankheiten , Psychologie , Seelische Gesundheit

Weitere Nachrichten zum Thema Covid-19 und Psyche

16.11.2020

Isolation, Bewegungsarmt, Verlust der Tagesstruktur – All das kann während der Coronakrise dazu beitragen, dass psychische Erkrankungen wie zum Beispiel Depressionen entstehen. Experten geben Tipps, wie man trotz des Lockdowns psychisch gesund bleibt.

19.12.2020

Abstand halten, Masken tragen, Hände waschen, lüften – und sich nicht mehr einfach austoben dürfen: Für Kinder ist ein Leben unter Pandemiebedingungen mit seinen Begrenzungen und Unbegreiflichkeiten eine besondere Herausforderung. Eine Kinderpsychiaterin sagt, was Eltern tun können und worauf sie achten sollten, damit ihr Nachwuchs gut durch diese besonderen Zeiten kommt.

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin