Vertraulichkeit psychosozialer Onlineberatung schützen
Viele Patienten mit psychischen Erkrankungen müssen lange auf einen Therapieplatz warten. Daher werden immer häufiger Online-Therapien als Überbrückung genutzt. Sie können auch eingesetzt werden, wenn sich Menschen in einer akuten Krisensituation befinden und schnelle Hilfe benötigen. Doch in Deutschland wird die Vertraulichkeit der psychosozialen Onlineberatung bisher nicht genauso geschützt wie die der anonymen Telefonberatung. Darauf machen nun die Deutschsprachige Gesellschaft für psychosoziale Onlineberatung (DGOB) und die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) in einer gemeinsamen Stellungnahme aufmerksam.
Berufsgeheimnisträger nicht genug geschützt
Aufgrund der aktuellen Gesetzesbestimmungen sind psychosoziale Berufsgruppen, die anonyme Onlineberatung anbieten, bisher nicht ausreichend als „Berufsgeheimnisträger“ geschützt, wie DGOB und DGSF kritisieren. Das Vertrauen in niedrigschwellige Hilfsangebote wie die anonyme Onlineberatung werde durch die aktuelle Gesetzgebung geschwächt, so die beiden Fachverbände. Während die anonyme Telefonberatung im Gesetz zur Verkehrsdatenspeicherung geschützt werde, gelte das nicht für entsprechende Online-Hilfsangebote.
Die Verbände weisen darauf hin, dass Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht den mangelnden Schutz von Berufsgeheimnisträgern als verfassungswidrig einstufen, und mahnen ein Gesamtkonzept zum Berufsgeheimnisschutz an. Es gebe einen dringenden Bedarf, die Arbeit von Beratungsinstitutionen und die Stellung psychosozialer Berufsgruppen als Berufsgeheimnisträger rechtlich besser abzusichern. „Dabei gilt es, die Privatsphäre der Menschen in einer Mediengesellschaft bei sehr persönlichen und intimen Kommunikationen mit Berater*innen und Therapeut*innen tatsächlich und umfassend zu schützen“, so die Experten.
Psychosoziale Hilfe im Internet kann Leben retten
Das Internet bietet vielen Menschen ein niedrigschwelliges Hilfsangebot. Dadurch kann Personen geholfen werden, die sonst nicht erreicht werden würden. So kann gerade die psychosoziale Hilfe im Netz beispielsweise bei suizidalen Jugendlichen lebensrettend sein. Die aktuelle Bundesgesetzgebung schwächt jedoch nach Angaben von DGOB und DGFS das Vertrauen in solche Hilfsangebote. Viele neue und spezialisierte Beratungsfelder (z.B. Suizidberatung, Ausstiegsberatung, Frauenselbsthilfen etc.) werden durch die hier kritisierte Gesetzgebung nicht adäquat geschützt.
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