Verschwörungstheoretiker? Was Psychologen dazu sagen

Glühbirnenuntergang? Deutsche Wissenschaftler haben untersucht, wie Anhänger von Verschwörungstheorien wahrnehmen, denken und entscheiden und „eine Art optische Täuschung auf Denkebene" festgestellt. – Foto: AdobeStock/andrea satta/EyeEm
Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, haben bestimmte Muster beim Denken und Handeln. Sie denken intuitiv und weniger analytisch. Sie bilden sich ein Meinung und treffen Entscheidungen sehr schnell, ohne sich lange mit Pro- und Contra-Argumenten auseinanderzusetzen. Ihre Denk- und Entscheidungsmuster zeigen Parallelen zu denen von Patienten, die an Wahnvorstellungen leiden. Das konnten Forschende der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) und der Philipps-Universität Marburg durch eine Studie belegen, die nach deren Einschätzung neue Einblicke in die kognitiven Grundlagen des Glaubens an Verschwörungstheorien bietet.
„Optische Täuschung auf der Denkebene“
„Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, weisen eine kognitive Verzerrung, eine Art optische Täuschung auf Denkebene, auf, die auch häufig bei Patientinnen und Patienten mit Schizophrenie beobachtet wird“, lautet das Fazit der jetzt vorgelegten Studie, die, wie es heißt, erstmals die kognitiven Grundlagen für den Glauben an Verschwörungstheorien und den Glauben an paranoide Ideen verglich.
„Wir wollten herausfinden, ob ein mit Psychosen verbundener Denkfehler, das sogenannte voreilige Schlussfolgern, auch bei jenen Personen vorhanden ist, die stärker an Verschwörungstheorien glauben“, sagt Nico Pytlik von der Arbeitsgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Marburg. „Dabei stellten wir zudem fest, dass Menschen, die eine höhere Zustimmung zu Verschwörungstheorien aufwiesen, im Vergleich zu anderen Personen eher intuitiv und weniger analytisch denken. Sie entscheiden sehr schnell, ohne viele Informationen zu sammeln.“
Voreilige Entscheidungen, ohne Nutzung von Argumenten
„Personen mit Wahnüberzeugungen weisen die Tendenz auf, voreilige Entscheidungen zu treffen, die meist nur auf wenigen Beweisen basieren“, sagt Stephanie Mehl, Professorin am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit der Frankfurt UAS und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Uniklinikum Marburg. „Das konnten wir auch bei den Probandinnen und Probanden feststellen, die eine höhere Zustimmung zu unterschiedlichen Verschwörungstheorien angegeben haben.“
Experiment, Teil 1: Die „Fisch-Aufgabe“
Für ihre Studie befragten die Forschenden 519 nicht-klinische Probanden. Die Teilnehmenden führten zuerst die sogenannte „Fisch-Aufgabe“ durch, bei der festgestellt werden sollte, ob sie zu raschen Schlussfolgerungen auf Grundlage weniger Beweise tendieren. In der Aufgabe wurden den Teilnehmenden Bilder von zwei verschiedenen Seen gezeigt. Ihnen wurde gesagt, dass in See „A“ 60 Prozent orange Fische und 40 Prozent blaue Fische leben, in See „B“ war das Verhältnis umgekehrt. Anschließend wurden den Probanden nacheinander Bilder von Fischen gezeigt, die von einem dieser Seen gefangen wurden. Sie hatten die Aufgabe, zu entscheiden, aus welchem See die jeweiligen Fische stammen. Um sich die Entscheidung zu erleichtern, hatten sie die Gelegenheit, bis zu zehn weitere Fische aus dem gleichen See gezeigt zu bekommen. Aber diese Arbeit wollten sich diejenigen Probanden nicht gerne machen, die zu Verschwörungstheorien neigen.
Experiment, Teil 2: Was wollen uns Kondensstreifen sagen?
In Teil zwei der Befragung sollten die Teilnehmer anhand einer Liste von 20 ihren Sympathiegrad für verschiedene Verschwörungstheorien angeben. Darunter befand sich etwa die Annahme, dass Kondensstreifen von Flugzeugen geheime „Chemtrail“-Experimente darstellten. Oder dass das World Trade Center von innen in die Luft gesprengt worden sein könnte.
Anschließend absolvierten die Teilnehmenden eine Befragung, bei der sie angeben sollten, ob sie eher eine Präferenz für einen analytischen oder einen intuitiven Denkstil haben. „Die Probandinnen und Probanden, die eher eine Tendenz für den Glauben an Verschwörungstheorien aufwiesen, sammelten weniger Informationen, um zu ihrer Entscheidung in der Fischaufgabe zu gelangen“, erläutert Psychologe Pytlik.
„In belastenden Situationen sind wir anfällig für Wahrnehmungsverzerrungen“
Insbesondere in den sozialen Netzwerken, so die Forschenden, bewegten sich Menschen in Kreisen, die ihre eigenen Überzeugungen teilen – dies könne jedoch dazu führen, dass diese durch falsche Informationen beeinflusst werden würden. „Insbesondere in belastenden, sehr emotionalen Situationen sind wir anfällig für kognitive Verzerrungen und weisen die Tendenz auf, eher schnelle Schlussfolgerungen zu treffen“, erklärt FUA-Professorin Stephanie Mehl. „Daher ist es wichtig, nach Informationen zu suchen, die auch anderen Ansichten entsprechen. Nur so können wir uns eine eigene Meinung bilden. Es ist wichtig, Freundinnen und Freunde zu haben, die uns widersprechen und unsere Schlussfolgerungen in Frage stellen. Zudem sollten wir so oft wie möglich wissenschaftliche Fakten berücksichtigen, um unsere Überzeugungen zu testen und uns zu informieren.“