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Vagusnerv-Stimulation soll auch bei Covid helfen

Freitag, 5. August 2022 – Autor:
Die elektrische Vagusnerv-Stimulation wird etwa bei Depressionen und Schmerzen eingesetzt. Wissenschaftler aus Wien nutzen das Verfahren für sehr kranke Covid-19-Patienten – offenbar mit Erfolg. Die Stimulation des zehnten Hirnnerven erfolgt am Ohr.
Studie aus Wien: Die Stimulation des Vagusnerven an der Ohrmuschel hat eine entzündungshemmende Wirkung bei intensivpflichtigen Covid-19-Patienten

Studie aus Wien: Die Stimulation des Vagusnerven an der Ohrmuschel hat eine entzündungshemmende Wirkung bei intensivpflichtigen Covid-19-Patienten – Foto: © Adobe Stock/ Axel Kock

Als Teil des vegetativen – genauer des parasympathischen - Nervensystems hat der Vagusnerv eine entspannende Funktion. Der Nerv reicht vom Hirnstamm bis in den Bauchraum, versorgt über seine zahlreichen Verästelungen Organe wie Herz, Lunge, Magen-und den gesamten Verdauungstrakt.

In der Medizin wird die Stimulierung des zehnten Hirnnerven inzwischen genutzt, um Depressionen oder Schmerzzustände zu behandeln. Verbreitet ist die Behandlung noch nicht, eher experimentell. Doch immer mehr Daten belegen gute Erfolge für die „elektrische Pille“. Wissenschaftler der TU Wien melden jetzt Erfolge bei der Behandlung von Covid-19-Patienten. Die Fachzeitschrift „Frontiers in Physiology“ berichtet darüber.

Vagusnerv antwortet mit anti-inflammatorischen Reflex

Die Hypothese des Forscherteams fußt auf der Annahme, dass entzündliche Reaktionen im Körper – wie bei SARS-Cov-2- über das sensorische Nervensystem an das Gehirn übermittelt werden und der Vagusnerv dann regulatorisch mit einem „anti-inflammatorischen Reflex“ antwortet. Daraufhin stellten die Forscher die Hypothese auf, dass eine elektrische Stimulation des Vagusnerven die entzündungshemmende Reaktion verstärken könnte, die möglicherweise bei schwer betroffenen Patienten zu schwach ausfalle. Es ist bekannt, dass das Immunsystem bei Covid heftige Entzündungsreaktionen auslöst, die im Körper einen größeren Schaden anrichten, als der Erreger selbst. Dieses Gleichgewicht zwischen Entzündung und Entzündungshemmung wollten die Forscher wiederherstellen, und zwar durch eine Elektrostimulation der Ohrmuschel (aurikulärer Vagusnerv - kurz aVNS).

Entzündungsparameter gingen zurück

Bereits 2020 behandelten die Forscher in Zusammenarbeit mit Medizinischen Universität Wien und anderen Kliniken Covid-19-Patienten, die auf der Intensivstation lagen und kurz vor einer künstlichen Beatmung standen. Die positiven Ergebnisse konnten nun in einer weiteren Studie bestätigt werden. „Die Elektrostimulation des aurikulären Vagusnervs konnte die Entzündungsreaktion bei Covid-19-Patient_innen nicht nur aufhalten, sie konnte dieser sogar entgegenwirken“, erläutert Studienautor Eugenijus Kaniusas, Professor am Institut für Biomedizinische Elektronik der TU Wien.

Die Ergebnisse zeigten messbare Verbesserungen bei etlichen entzündlichen Parametern. Der Entzündungsmarker CRP zum Beispiel sank im Schnitt nach einem Tag um 31 Prozent und nach sieben Tagen um 80 Prozent, TNFalpha um 58 Prozent nach sieben Tagen.

Personalisierte Therapie an der Ohrmuschel

Da eine dauerhafte Stimulation des Vagusnerven zu Nebenwirkungen wie Schmerzen führen kann, passten die Forscher den Regelkreis den Patienten an. „So ist es uns möglich, den Vagusnerv genau dann zu stimulieren, wenn das Gehirn zuhört“, so der Experte. Dies sei der Fall, wenn das Herz sich gerade zusammenzieht und das Blut in die Gefäße strömt oder die betreffende Person gerade ausatmet. „Das aVNS-System hört den gemessenen Biosignalen zu und entsendet genau zum richtigen Zeitpunkt seinen Reiz, wie eine intelligente elektrische Pille“ zieht er schließlich einen Vergleich. Dies sei ein wichtiger Schritt in Richtung Personalisierung.

Hauptkategorien: Corona , Medizin
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