US-Forscher prophezeien weniger Demenzfälle
In Deutschland leben derzeit etwa 1,6 Millionen Menschen mit Demenz, davon die meisten mit Alzheimer. Aufgrund der alternden Bevölkerung rechnet die Deutsche Alzheimer Gesellschaft bis 2050 mit einer Verdopplung der Neuerkrankungszahlen. Doch die düstere Prognose wird nun von einer neuen Studie in Frage gestellt: Danach ist in den USA die Zahl der neuen Demenzfälle bereits am Sinken, und zwar schon seit der Jahrtausendwende.
In der Studie führten die Forscher um Dr. Kenneth Langa von der University of Michigan kognitive Tests mit insgesamt 21.000 Personen durch. Das Durchschnittsalter lag bei 75 Jahren. Die erste Testreihe fand im Jahr 2000 mit 10.500 Senioren statt, die zweite im Jahr 2012 mit weiteren 10.500 Senioren. Während im Milleniumsjahr noch 11,6 Prozent die Kriterien einer Demenz erfüllten, waren es 2012 nur noch 8,8 Prozent. Damit ist das Risiko, an Demenz zu erkranken, bei amerikanischen Senioren um knapp ein Viertel gesunken.
„Unsere Ergebnisse, die auf Tiefeninterviews mit Senioren und ihren Pflegekräften beruhen, stützen die Hinweise, dass ein Rückgang des Demenzrisikos Realität ist und der Anstieg weniger stark ausfallen wird als befürchtet“, sagt Studienleiter Kenneth Langa. Hinweise auf den sinken Trend hatte es zuletzt bereits aus England, Dänemark, Spanien und Schweden gegeben.
Geistige Aktivität zahlt sich aus
Was aber bewirkt diesen Trend, obwohl in allen Industrienation die Zahl der älteren Menschen weiter steigt? Nach der Studie waren Menschen mit höherer Bildung seltener von einer Demenz betroffen als jene mit einem Hauptschulabschluss. Dass die Zahl in den beiden Stichproben um mehr als drei Prozentpunkte sank, führt Langa auf ein besseres Bildungsniveau zurück. Mehr Baby-Boomers haben einen höheren Schulabschluss als jede andere Generation zuvor. So stieg die Zahl der der Bildungsjahre im Untersuchungszeitraum von 12 auf 13 Jahre. „Dieser Unterschied in Bildung und Wohlstand trägt vermutlich zu einer besseren geistigen Gesundheit bei“, so Langa. Neben der formalen Bildung könne aber auch die geistige Aktivität in der Freizeit einen Einfluss auf das gesunkene Demenzrisiko haben, etwa Lesen, längeres Arbeiten oder soziale Interaktion, glaubt der Forscher. „All diese Aktivitäten können helfen, die kognitiven Reserven eines Menschen zu aktivieren und die physischen Beeinträchtigungen, die zu einer Demenz führen, zu kompensieren“, sagt Langa.
Dicke haben geringeres Demenzrisiko
Möglicherweise spielt aber auch eine bessere Gesundheitsversorgung - etwa durch Gefäßschutz, Blutzucker- oder Blutdruckkontrolle - mit eine Rolle, dass 2012 weniger Menschen an Demenz erkrankt waren als 2000. Beweise dafür lieferte die Studie allerdings nicht. Aber eine andere Entdeckung haben die Forscher von der Michigan University gemacht: Leicht übergewichtige Senioren hatten ein geringeres Risiko an Demenz zu erkranken, als Normal- und Untergewichtige. Dieses Phänomen hatten bereits andere Untersuchungen zu Tage gebracht.
Auch wenn der dokumentierte Rückgang der Demenzerkrankungen eine gute Nachricht für die Gesellschaft ist, betonen die Forscher im Fachmagazin JAMA Internal Medicine: Für die Betroffenen bleibe die Demenz-Erkrankung ein schwerer Schicksalsschlag.
Und: Aufgrund der wachsenden Zahl älterer Menschen wird die Zahl der Demenzkranken sicher nicht sinken, aber vielleicht steigt sie nicht ganz so stark an wie prognostiziert.
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