UNAIDS fordert mehr HIV-Tests, weniger Stigmatisierung
UNAIDS hält eine Welt ohne Aids für möglich. Das Ziel sei bis 2030 erreichbar, wenn die internationale Staatengemeinschaft in ihren Anstrengungen nicht nachlasse, erklärt die Unterorganisation der Vereinten Nationen zum heutigen Welt-Aids-Tag. Der Optimismus gründet auf den gewaltigen Fortschritten, die in den letzten Jahren im Kampf gegen Aids gemacht wurden: Die Aids-assoziierten Todesfälle haben sich innerhalb der letzten zehn Jahre halbiert, die Zahl der HIV-Neuinfektionen ist seit 2010 weltweit um 16 Prozent und bei Kindern sogar um 47 Prozent gesunken. Außerdem bekommt heute mehre als die Hälfte der HIV-Infizierten eine antiretroviralen Therapie. Nach aktuellen UNAIDS-Zahlen sind von den weltweit 36.7 Millionen Menschen, die mit HIV leben, heute 20.9 Millionen Menschen in Behandlung. Damit hat UNAIDS das Ziel, 15 Millionen Menschen bis 2015 in Behandlung zu bringen, geknackt. „Das zeigt, dass wir Aids das Rückgrat brechen können“, sagte UNAIDS-Direktor Michel Sibidé dem Tagesspiegel.
Swasiland hat das 90-90-90 Ziel schon erreicht
Fortschritte hat es auch beim sogenannten 90-90-90-Ziel gegeben. Damit ist gemeint, dass 90 Prozent ihren HIV-Status kennen, 90 Prozent Zugang zu Therapien haben und bei 90 Prozent die Viruslast nicht mehr nachweisbar ist. Sieben Länder haben das Ziel bereits erreicht. Botswana, Kambodscha, Dänemark, Island, Singapur, Schweden, Groß Britannien und Nordirland. Viele andere Länder seien kurz davor, berichtet die UN-Organisation.
Auf der anderen Seite gelingt es eben vielen Ländern bislang nicht, das 90-90-90-Ziel zu erreichen. Darunter auch Deutschland. Laut Robert Koch-Institut (RKI) sind in Deutschland rund 13.000 Menschen mit HIV infiziert, ohne davon zu wissen. Ein Grund ist, dass sich inzwischen immer mehr Heterosexuelle infizieren, die das Risiko gar nicht sehen. Ein anderer Grund ist, dass sich junge Menschen immer seltener mit Kondomen schützen. Und der dritte Grund ist, dass sich zu wenige auf HIV testen lassen, auch aus Angst vor der stigmatisierenden Diagnose.
HIV-Tests müssen selbstverständlich werden
UNAIDS-Direktor Sibidé hält Unkenntnis und Stigmatisierung für mit die größten Herausforderungen im Kampf gegen Aids. Im Tagesspiegel-Interview fordert er, HIV-Tests zur Routine zu machen. HIV-Tests müssten genauso selbstverständlich werden wie Blutdruckmessen oder Blutzuckertests, sagte er, und in andere Gesundheitsuntersuchungen integriert werden. „HIV-Test müssen zu einer Selbstverständlichkeit werden.“
Doch die Scheu, sich testen zu lassen, ist immer noch groß. Das ist wohl überall auf der Welt so. Aber in Russland, wo entgegen dem weltweiten Trend die HIV-Neuinfektionen rapide ansteigen, ist es am Schlimmsten. Schwule, Transgender, Prosituierte, Drogenabhängige werden dort regelrecht ausgegrenzt und die Hürde, Hilfe vom Gesundheitssystem in Anspruch zu nehmen, ist hoch: „Wenn es uns nicht gelingt, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, wird sich wenig an der Situation ändern“, mahnte Michel Sibidé in der Tagesspiegel-Ausgabe vom 1. Dezember.
Deutschland forderte er auf, Russland zu überzeugen, entschieden gegen die HIV-Epidemie vorzugehen - wegen der guten engen bilateralen Beziehungen. Russland habe alle Ressourcen, um Aids bis 2030 zu beenden und könnte sogar zu einem weltweiten Vorbild werden, meinte der UNAIDS-Chef.
Afrika braucht Wissenstransfer
Afrika scheint momentan sogar auf einem besseren Weg zu sein als das von Putin regierte Land. Im südlichen und östlichen Teil des Kontinents, wo 50 Prozent aller weltweit HIV-Infizierten leben, stecken sich heute 29 Prozent weniger Menschen mit HIV als in 2010, bei Kindern hat sich die Zahl mehr als halbiert (56%). Und die Aids-assoziierten Todesfälle sind seither um 42 Prozent gesunken. Auf der Überholspur befindet sich Swasiland. Das Königreich war bis vor fünf Jahren das Land mit der höchsten Infektionsrate weltweit. Heute hat Swasiland das 90-90-90 Ziel erreicht.
Dennoch ist natürlich nicht alles gut in Afrika. Nach Ansicht von Michel Sibidé braucht der Kontinent eine weitreichende Unterstützung, etwa in Form von Wissenstransfer und Partnerschaften oder Hilfe beim Aufbau von Pharmaunternehmen, so dass Afrika selbst seine Medikamente herstellen kann. „Solche Partnerschaften könnte Deutschland durchaus voranbringen“, so Sibidé.
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