Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Umstrittene Antikörpertherapie bei Migräne wird weiter erforscht

Mittwoch, 10. Dezember 2014 – Autor:
Antikörper sind schon seit längerem als neue Wirkstoffklasse in der Migränetherapie im Gespräch. Aus Sicherheitsgründen wurde die Entwicklung der so genannten CGRP-Antagonisten jedoch schon mehrfach abgebrochen. Eine neue Phase-II-Studie der Mayo Clinic berichtet jetzt dennoch von Erfolgen.
Umstrittene Antikörpertherapie bei Migräne wird weiter erforscht

Antikörper als neue Wirkstoffklasse in der Migränetherapie: Neurologen mahnen zur Vorsicht

Bei der jetzt veröffentlichten Studie handelt es sich bereits um die zweite Arbeit von David W. Dodick, Professor für Neurologie an der Mayo Clinic Arizona, und Kollegen, in der von einer signifikanten Reduktion der Migränetage durch einen CGRP-Antikörper berichtet wird. An der aktuellen Studie hatten 163 Patienten zwischen 18 und 55 Jahren teilgenommen, die in einem Zeitraum von 28 Tagen jeweils zwischen 5 und 14 Tagen an Migräne litten. Während der einen Hälfte der Patienten randomisiert eine einmalige intravenöse Dosis von 1000 Milligramm des Antikörpers ALD403 verabreicht  wurde, erhielt die andere Hälfte ein Placebo. Die Wirksamkeit des Antikörpers beträgt etwa drei Monate. In Woche 5 bis 8 nach dieser Intervention hatte sich der Antikörper als signifikant wirksamer erwiesen. Er reduzierte die Zahl der Migränetage in diesem Zeitraum um 5,6 gegenüber 4,6 Migränetagen unter Placebo.

Antikörper wurden zur Akuttherapie der Migräne entwickelt, kam aber nie auf den Markt

Schon länger wird vermutet, dass eine Blockade dieses „Calcitonin-Gen verknüpften Peptids“ (CGRP) Migräne-Attacken verhindern könnte. Zuvor hatten bereits mindestens fünf Firmen orale CGRP-Antagonisten primär zur Akuttherapie der Migräne entwickelt. „Diese Entwicklung wurde aber eingestellt, womöglich weil es bei einigen der CGRP-Antagonisten nach längerem Gebrauch Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Leberfunktion bei wenigen Studienteilnehmern gegeben hatte“, erläutert Professor Hans-Christoph Diener, Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Essen und Direktor des Westdeutschen Kopfschmerzzentrums, in seinem Kommentar zur Studie.

Unklar, ob das Medikament die Blut-Hirn-Schranke durchbricht

Die aktuelle Untersuchung hat nun primär die Sicherheit von ALD403 getestet. Dabei fanden sich keine Unterschiede in den Nebenwirkungen, Vitalzeichen oder Laborwerten zwischen der Verum- und der Placebo-Gruppe. Diener mahnt dennoch zur Vorsicht: „CGRP kommt in allen Organen einschließlich des Gehirns in hohen Konzentrationen vor. Deshalb könnte ein Antikörper gegen CGRP langfristig unerwünschte Nebenwirkungen haben.“ Der Hersteller geht zwar davon aus, dass der Antikörper die Blut-Hirn-Schranke normalerweise nicht überwinden kann, allerdings ist noch nicht klar, ob diese Barriere bei heftigen Migräneattacken intakt bleibt.

Auch die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) sieht einen geringfügigen Nutzen des Antikörpers durch die Studie bestätigt, warnt aber vor voreiligen Schlüssen. „Die Daten legen nahe, dass ALD403 als Antikörper gegen CGRP eine gewisse Migräne-prophylaktische Wirkung haben könnte“, sagt PD Dr. Förderreuther, Oberärztin an der Neurologischen Klinik der Ludwig-Maximilian-Universität München. Was die Sicherheit dieser Strategie über einen längeren Zeitraum angeht, so müssten allerdings noch weitere Daten erhoben werden.

Foto: © Piotr Marcinski - Fotolia.com

Hauptkategorie: Medizin
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Schmerzen , Kopfschmerzen , Migräne , Antikörper

Weitere Nachrichten zum Thema Kopfschmerzen

02.06.2017

Das Wissen um die eigene Kopfschmerzerkrankung ist ein entscheidender Baustein, um diese gezielt behandeln zu können. Doch viele Patienten wissen wenig über die Möglichkeiten von Behandlung und Prophylaxe. Das hat eine Umfrage der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMGK) ergeben.

Aktuelle Nachrichten

Mehr zum Thema
Wolfgang Brittner, Facharzt für Neurologie an der Neuropraxis 38 - Schwerpunktpraxis für Kopfschmerz, Schmerz und Multiple Sklerose - über chronische Migräne, die Wirkung von Botox und Erfolge in der Schmerztherapie.
Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin