Tumorkonferenzen: Wie sinnvoll ist eine Patientenbeteiligung?

Ob Patienten künftig häufiger zu Tumorkonferenzen eingeladen werden, hängt auch von der Studie PINTU ab. Die klärt gerade an Brustkrebszentren, wie sinnvoll eine Patiententeilnahme ist – Foto: ©stokkete - stock.adobe.com
Die Teilnehmerliste ist gewöhnlich lang: Onkologen, Chirurgen, Strahlentherapeuten, Pathologen, Fachärzte wie Gynäkologen oder Urologen und manchmal auch Psychoonkologen bilden zusammen das Tumorboard. Nur eine Gruppe scheint für gewöhnlich zu fehlen: Die Patienten, um die es bei den wöchentlichen Tumorkonferenzen ja letztlich geht. Es sind ihre Fälle, die hier besprochen werden, über die manchmal gestritten, aber am Ende immer eine einvernehmliche Entscheidung getroffen wird. Schon lange wünschen sich Vertreter der Patientenselbsthilfe eine Teilnahme an den interdisziplinären Konferenzen. Schließlich sitzen im Gemeinsamen Bundesauschuss (G-BA) ja auch Patientenvertreter – warum dann nicht in den Tumorboards? Zum Beispiel könnten die Therapieempfehlungen stärker an den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Patienten ausgerichtet werden, hoffen die Befürworter.
Krebshilfe fördert das Vorhaben
Viele Ärzte dürften dieser Idee dagegen wenig abgewinnen können. Sie sehen ihre Entscheidungskompetenz auf dem Spiel und fürchten einen enormen administrativen Aufwand. Doch nun soll die strittige Frage in einer Studie geklärt werden. Konkret geht es um die Frage, ob Brustkrebspatientinnen in die Tumorkonferenzen einbezogen werden sollten. „Bislang gibt es keine gesicherten Erkenntnisse zu Risiken und Nutzen der Teilnahme von Patientinnen mit Brustkrebs an Tumorkonferenzen“, sagt Prof. Nicole Ernstmann von der Forschungsstelle für Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Bonn. Ernstmann leitet das Projekt namens PINTU („Patient involvement in multidisciplinary tumor conferences in breast cancer care“) zusammen mit Prof. Lena Ansmann vom Institut für Medizinsoziologie und Versorgungsforschung der Universität zu Köln. Die beiden Wissenschaftlerinnen wollen in den kommenden drei Jahren an insgesamt sechs nordrhein-westfälischen Brustzentren untersuchen, welche Konsequenzen eine Beteiligung von Patientinnen an den Tumorkonferenzen hat. Die Deutsche Krebshilfe fördert das Vorhaben mit rund 247.000 Euro. Die Frauenselbsthilfe nach Krebs e.V. wird in das Projekt einbezogen.
PINTU analysiert 18 Tumorkonferenzen
Das Studiendesign sieht eine Analyse von 18 Tumorkonferenzen vor - die Hälfte mit und die andere Hälfte ohne Patientinnenbeteiligung. Dafür werden die Konferenzen auf Video aufgezeichnet sowie mindestens 90 Brustkrebserkrankte unmittelbar vor und direkt nach der Tumorkonferenz sowie vier Wochen später befragt. Anhand von standardisierten Fragebögen wollen die Wissenschaftler Informationen unter anderem zur emotionalen Belastung der Brustkrebserkrankten und ihrer individuellen Gesundheitskompetenz gewinnen. Darüber hinaus sollen in Diskussionsrunden mit den teilnehmenden Ärzten, Pflegern, Sozialarbeitern und Psychoonkologen die Erfahrungen diskutiert und hinsichtlich der Machbarkeit ausgewertet werden.
„Mit der geplanten Analyse der Filmaufzeichnungen betritt die Versorgungsforschung Neuland“, sagt Juniorprofessorin Ansman. „Wir freuen uns sehr über die Projektförderung der Deutschen Krebshilfe und sind gespannt auf die Ergebnisse.“
Kein zertifiziertes Tumorzentrum ohne Tumorkonferenz
Tumorkonferenzen sind für zertifizierte Tumorzentren Pflicht. Der Vorteil ist, dass eine Reihe von Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen gemeinsam die einzelnen Fälle bespricht und sich eine umfassende Meinung über die Weiterbehandlung bildet. Die Therapieempfehlung basiert also nicht bloß auf einer Einzelmeinung, sondern bezieht verschiedene Sichtweisen mit ein. Inwieweit auch die Patientensicht mit einfließen soll, ist bislang umstritten.
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