Trotz hoher Verordnungszahlen gibt es in Deutschland keine Opioid Krise

Opioide gehören zu den stärksten Schmerzmitteln und haben Suchtpotential. Von einer Opioid Krise wie in den USA ist Deutschland aber noch weit entfernt – Foto: ©M.Rode-Foto - stock.adobe.com
Weltweit gehört Deutschland zu den Ländern mit den meisten Opioidverordnungen. Rund 70 Prozent davon erfolgen bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen – kurz CNTS. Dennoch liege in Deutschland keine Opioid Krise vor, teilt die Deutsche Schmerzgesellschaft im Vorfeld des Schmerzkongresses mit. Die Schmerzexperten empfehlen in der neuen Leitlinie jedoch einen kritischen Umgang mit den starken Schmerzmitteln. Der Appell richtet sich an die Kollegen im weißen Kittel.
Opioide wirken bei vielen Patienten nicht
„Da mit der Verwendung der Schmerzhemmer bei nicht-tumorbedingten Schmerzen zahlreiche Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schwindel und Müdigkeit einhergehen – und gleichzeitig die Wirkung bei vielen Patienten nur gering ist – sollte ihr Einsatz, gerade auch wegen dem Risiko einer Abhängigkeit, kritisch hinterfragt und überprüft werden“, sagt Professor Frank Petzke von der Abteilung Schmerzmedizin der Klinik für Anästhesiologie, Universitätsmedizin Göttingen.
Negativbeispiel sind die USA, wo eine Opioidkrise durch die unkritische Verordnung medizinischer Opioide ausgelöst wurde. Die Krise besteht fort und wird mittlerweile durch die illegale Einnahme von Heroin und illegal hergestelltem Fentanyl und Fentanylanaloga verschärft.
Opioid Krise in den USA geht weiter
Allein im 2018 gab es in den USA rund 46. 000 Todesfälle im Zusammenhang mit einer Opioid-Überdosierung, davon etwa ein Drittel durch medizinisch verordnete Opioide. Geschätzt 1,7 Millionen Amerikaner sind von medizinisch verordneten Opioiden abhängig.
Die hohen Verordnungszahlen in Deutschland beobachtet die Deutsche Schmerzgesellschaft deshalb kritisch. „Damit die Gabe der Schmerzhemmer sozusagen in kontrollierten Bahnen erfolgt, hat es sich die Deutsche Schmerzgesellschaft bereits früh zur Aufgabe gemacht, Einsatzgebiete und Grenzen einer Schmerztherapie mit Opioiden zu definieren und Vorschläge für eine gute klinische Praxis zu erarbeiten“, erklärt Petzke.
Aktualisierte Leitlinie engt Verordnungen weiter ein
Bereits 2009 erschien die erste Version einer Leitlinie zur Langzeitanwendung von Opioiden bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen (LONTS). Darin wurde darauf hingewiesen, dass Opioide im Durchschnitt nur geringe Wirkeffekte bei CNTS zeigen und dass deren Einsatz verantwortungsvoll erfolgen sollte.
Inzwischen liegt die dritte Version der Leitlinie vor. Darin sind zum Beispiel mögliche Indikationen, aber auch Kontraindikationen für Opioide bei CNTS definiert. Die Indikationen für eine Opioidbehandlung von mehr als vier Wochen bei chronischen Rücken- und Arthroseschmerzen etwa wurde weiter eingeengt. Zudem haben die Experten in enger Zusammenarbeit mit suchtmedizinischen Experten in der Leitlinie diagnostische Kriterien zur Identifikation eines missbräuchlichen/abhängigen Gebrauchs von medizinisch verschriebenen Opioiden und Empfehlungen für Therapien erarbeitet.
Dass eine Opioidkrise in Deutschland bislang ausgeblieben ist, führen die Schmerzexperten zum einen auf diese Leitlinie zurück, aber auch das Gesundheitswesen leiste seinen Beitrag. In Deutschland werden auch Kosten für die oft wirksameren nicht-medikamentöse Schmerztherapien erstattet und Opioidverschreibungen reguliert.
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