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Traumatische Erfahrungen in der Kindheit erhöhen Risiko für Diabetes

Dienstag, 27. März 2018 – Autor:
Traumatische Erfahrungen in der Kindheit erhöhen das Risiko, als Erwachsener an Diabetes Typ 2 zu erkranken. Darauf weisen Experten der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin hin.
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Traumatische Erlebnisse in der Kindheit beeinträchtigen auch die körperliche Gesundheit – Foto: ©pololia - stock.adobe.com

Traumatische Erfahrungen in der Kindheit können die seelische und körperliche Gesundheit stark beeinträchtigen. Auswirkungen sind noch im Erwachsenenalter zu spüren - oder machen sich erst dann überhaupt bemerkbar. Das gilt beispielsweise für die Entstehung eines Typ-2-Diabetes, erklären Experten der Deutschen Gesellschaft für psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) auf ihrer Jahrestagung in Berlin.

Neben sexuellem Missbrauch, körperlicher Gewalt oder dem Tod eines Elternteils kann auch ein auf den ersten Blick vergleichsweise harmloses Ereignis wie die Trennung der Eltern für ein Kind traumatisch ablaufen.

Erleben von Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein

"Belastende Kindheitserfahrungen gehen mit dem Erleben von Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein einher und führen dazu, dass Betroffene oft dauerhaft davon überzeugt sind, nichts wert zu sein und kein Recht auf eigene Gefühle und Wünsche zu haben", sagt Prof.  Johannes Kruse, Vorsitzender der DGPM und Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Universitätsklinik Giessen.

In vielen Fällen sei dies verbunden mit Schuld- oder Schamgefühlen. Die Bindungsfähigkeit ist oft bis ins Erwachsenenalter hinein beeinträchtigt. Betroffene haben ein deutlich erhöhtes Risiko eine psychische oder somatische Krankheit zu entwickeln.

Traumatische Erfahrungen in der Kindheit erhöhen Risiko für Diabetes

Dasss traumatische Kindheitserlebnisse auch das Risiko für die Entwicklung eines Diabetes erhöhen gilt vor allem für Menschen, bei denen vier und mehr belastende Faktoren - von Missbrauch bis Vernachlässigung - zusammenkommen. Sie tragen in einigen Studien ein um 60 Prozent erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Diabetes. Dabei greifen mehrere psychische und biologische Prozesse ineinander.

"Das Trauma beeinträchtigt das Selbstwertgefühl und die Affektregulation - also den Umgang mit den eigenen Gefühlen", erläutert Kruse. Das wiederum habe Auswirkungen auf den Lebensstil der Betroffenen. Nicht selten versuchen sie, ihre negativen Gefühle zu bewältigen, indem sie rauchen, vermehrt essen oder Alkohol trinken. Gleichzeitig schränken sie ihren sozialen Umgang ein und kapseln sich ab. Eine erhöhte Kalorienzufuhr, kombiniert mit Bewegungsmangel, stellt einen der Hauptrisikofaktoren für Typ-2-Diabetes dar.

Stresshormon Kortisol wirkt auf Zuckerstoffwechsel und Immunsystem

Durch extreme Belastungen werden aber auch neurobiologische, immunologische und das Darmmikrobiom betreffende Veränderungen in Gang gesetzt, die das Diabetesrisiko beeinflussen. Eine zentrale Rolle spielt hierbei das Stresshormon Kortisol, das unter starker Belastung verstärkt ausgeschüttet wird. Es versetzt den Körper kurzfristig in einen angeregten, leistungsfähigen Zustand.

"Als Reaktion auf eine akute Bedrohung ist das durchaus sinnvoll", sagt Kruse. Hält der Stresszustand jedoch an, so kommt es zu Verschiebungen im Zuckerstoffwechsel, und die Blutzuckerregulation verschlechtert sich – mit direkten Auswirkungen auf das Diabetesrisiko. Auch das Immunsystem arbeitet unter Kortisol-Einfluss anders: Es schüttet verstärkt entzündungsfördernde Enzyme aus, denen ebenfalls eine Rolle bei der Diabetes-Entstehung zugeschrieben wird.

Psychosomatische Therapie für Diabetes-2-Patienten?

Bei Patienten mit traumatischen Kindheitserfahrung müsse daher auch ein möglicher Anstieg des Diabetesrisikos im Auge behalten werden, so Kruse. Umgekehrt legten die Zusammenhänge nahe, dass ein Teil der Diabetes-Patienten von einer psychosomatischen Therapie profitieren könnte. Diese zielt darauf, das Erleben der Betroffenen, ihre Stressreaktion und auch ihre neuroimmunologischen und neurobiologischen Pfade wieder zu normalisieren.  "Forschungsergebnisse der letzten Jahre sprechen dafür, dass die Psychotherapie hier erfolgreich wirken kann", so Kruse. 

Foto: pololia/otolia.com

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