
Ein "teures" Placebo hat stärkere Nebenwirkungen – Foto: ©Stockfotos-MG - stock.adobe.com
In klinischen Studien berichten Patienten, die ein Placebo, also ein Medikament ohne Wirkstoff erhalten, häufig von Nebenwirkungen. Diese passen oft genau zu den möglichen Nebenwirkungen des eigentlichen Medikamentes. Ein Scheinmedikament kann also nicht nur zur Besserung der Symptome beitragen (Placebo-Effekt), sondern auch die Nebenwirkungen des eigentlichen Medikaments hervorrufen (Nocebo-Effekt).
Ein teures Scheinmedikament verursachte dabei im Test stärkere Nebenwirkungen als ein günstiges. Das stellten Wissenschaftler der Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) in einer Studie fest. Ihre Ergebnisse erschienen im Fachmagazin Science.
Erwartungshaltung beeinflusst das Schmerzempfinden
Zurückzuführen ist dieses Phänomen auf die Erwartungshaltung der Patienten. Die lässt sich mit bildgebenden Verfahren sogar darstellen. „Bei Erwartungseffekten ist das modulierende Schmerzsystem von großer Bedeutung. Erwartungen, die im Frontalhirn entstehen, können über das modulierende Schmerzsystem die Verarbeitung von schmerzhaften Reizen in tieferen Regionen des Nervensystems wie dem Hirnstamm oder dem Rückenmark beeinflussen“, erläutert Alexandra Tinnermann vom Institut für Systemische Neurowissenschaften des UKE.
Dabei wandten die Forscher eine neue Methode der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) an. „Wir konnten zeigen, dass negative Erwartungen Auswirkungen auf drei wichtige Areale des modulierenden Schmerzsystems - Frontalhirn, Hirnstamm und Rückenmark - haben“, erklärt Tinnerman in einer Pressemitteilung.
Teures Placebo hat stärkere Nebenwirkungen
Die Probanden erhielten zu ihrem Placebo bestimmte Informationen: Ihnen wurde mitgeteilt, dass das Medikament Nebenwirkungen hervorrufen kann, die zu einem erhöhten Schmerzempfinden führen. Zusätzlich zu dieser negativen Erwartung wurde eine Hälfte der Probanden darüber informiert, dass das Medikament günstig ist, die andere Hälfte, dass es teuer ist.
Die Gruppe, die das teure Scheinmedikament erhalten hat, zeigte einen größeren Nocebo-Effekt - also ein höheres Schmerzempfinden - als die Gruppe, die das günstige Präparat erhalten hatte. Tinnermann: „Der Wert eines Medikaments kann zusätzlich zu den negativen Erwartungen das Schmerzempfinden beeinflussen. Auch die Verarbeitung von Schmerzreizen im Rückenmark wird durch diese Faktoren verändert.“
Die Studie wurde unter Leitung von Prof. Christian Büchel am Institut für Systemische Neurowissenschaften des UKE durchgeführt; sie wurde vom Europäischen Forschungsrat (ERC) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt.
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