Testosteron-Therapie im Alter ohne nachgewiesenen Nutzen
Auch bei Männern sinkt im Alter der Hormonspiegel, doch nur bei wenigen verringern sich die Testosteronwerte so stark, dass von einem Mangel gesprochen werden kann. Folgen eines Testosteronmangels können unter anderem depressive Verstimmungen, sexuelle Funktionsstörungen und Osteoporose sein. Viele Männer denken dann, durch die Einnahme von künstlichem Testosteron diesen Entwicklungen entgegenwirken zu können. Doch die Ergebnisse von Studien sind diesbezüglich sehr widersprüchlich. Spätestens seit der Veröffentlichung der TOM-Studie („Testosterone in Older Men with Mobility Limitations“) im Jahre 2010 gibt es ernsthafte Bedenken gegen den Einsatz von Testosteron. Die Studie war zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Testosterontherapie bei älteren gebrechlichen Männern zu einem Anstieg von Herzinfarkten und Schlaganfällen führen kann.
Widersprüchliche Studien zur Testosteron-Substitution
Zwei neue Studien haben die Unsicherheiten nun bestätigt. So hatte eine retrospektive Studie, die Rajat Barua vom VA Medical Center in Kansas City an US-Veteranen durchgeführt hat, zunächst Hinweise geliefert, dass die Zahl der kardiovaskulären Ereignisse durch die Einnahme von Testosteron nicht zunimmt, sondern sogar sinken kann. Kritiker wenden allerdings ein, dass im Gegensatz zur TOM-Studie die Probanden zu Beginn der Studie frei von kardiovaskulären Ereignissen waren, da Patienten mit früheren Herzinfarkten oder Schlaganfällen ausgeschlossen worden waren. Auch wird generell die Evidenz von retrospektiven Beobachtungsstudien als niedrig eingeschätzt, da es möglich ist, dass nur Kandidaten mit günstigem gesundheitlichem Ausgangsprofil für die Untersuchungen ausgesucht werden.
Eine höhere Evidenz vermuten Experten für die Ergebnisse der „Effects on Atherosclerosis Progression in Aging Men“-Studie („TEAAM“). Hierbei handelt es sich um eine randomisierte Studie, die Forscher um Shalender Bhasin von der Harvard Medical School in Boston nach dem Scheitern der TOM-Studie begonnen hatten. Die Probanden waren hier zwar in einem guten Gesundheitszustand, doch die meisten wiesen bereits kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes oder erhöhte Blutfette auf. Die TEAAM-Studie konnte kaum einen Nutzen für die Testosteron-Therapie feststellen. Bei den Patienten, die das Testosteron einnahmen, war das Fortschreiten der Atherosklerose genauso stark wie bei denjenigen, die keine künstlichen Hormone zu sich nahmen. Auch die erhofften positiven Auswirkungen auf das Sexualleben und die Lebensqualität blieben weitgehend aus.
Nebenwirkungen nicht unterschätzen
Die Ergebnisse der meisten Studien bleiben damit hinter den Erwartungen zurück. Experten weisen darauf hin, dass Testosteron kein Potenzmittel ist und zudem Risiken und Nebenwirkungen birgt. So können sich unter anderem die Lipidwerte verschlechtern, und Testosteron kann zu einer Vergrößerung der Prostata führen. In den USA müssen die Hersteller von Testosteronprodukten zudem seit Anfang des Jahres in ihren Fachinformationen auf ein möglicherweise erhöhtes Herzinfarkt- und Schlaganfall-Risiko durch die Mittel hinweisen.
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