T-Shirts aus Holz, Möbel aus Popcorn

Klingt verrückt, geht aber: Dämmplatten aus Popcorn – nur eine Möglichkeit endliche fossile Rohstoffe durch nachwachsende zu ersetzen.
Einmal im Jahr ist „Erdüberlastungstag“. Das ist der Tag im Kalenderjahr, ab dem wir durch übermäßigen Konsum und Raubbau an der Natur mehr Ressourcen verbrauchen, als die Erde in diesem Jahr wiederherstellen kann. In den letzten 20 Jahren ist dieser Tag immer weiter nach vorne gerückt. Nie war er so früh wie 2019: Da hatte die Menschheit bereits Ende Juli ihr Jahrespensum aufgebraucht – und damit begonnen, auf Kosten der Erde und künftiger Generationen zu leben. Das ergibt sich aus Berechnungen der Umweltorganisation „Global Footprint Network“. Derzeit verbraucht die Menschheit jährlich etwa 60 Prozent mehr Natur, als sie dürfte.
Ab 22. August verbrauchen wir mehr Natur als sich regenerieren kann
Um den gegenwärtigen Ressourcenverbrauch der Menschheit zu decken, bräuchten wir mittlerweile 1,6 Erden. Würden alle Menschen leben wie die Deutschen, wären ganze drei Erden notwendig. Würden sie leben wie die US-Bürger, bräuchten wir sogar noch mehr – nämlich fünf. In diesem Jahr ist der Erdüberlastungstag am 22. August und damit rund drei Wochen später als im Rekordjahr 2019. Aber nicht, weil die Menschheit vernünftiger geworden wäre, sondern aus der Not heraus – aufgrund der COVID-19-Pandemie.
Nachhaltig wirtschaften und dennoch gut leben: Wenn die Menschheit wollte, könnte sie es, sagen Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). In einer aktuellen Studie zeigen sie, dass es durch konsequente Maßnahmen möglich ist, alle Menschen auf der Erde zu ernähren und den Planeten dennoch zu schützen.
„Unser Lebensstil ist von fossilen Rohstoffen geprägt“
„Wir leben in Städten, die nur motorisiert zu erreichen sind, tragen Goretex und Nylon, ernähren uns mithilfe von Kunstdünger, sind auf Medikamente angewiesen – alles Dinge, die auf Erdöl, Gas und Steinkohle basieren“, sagt der Medien- und Kulturtheoretiker Benjamin Steininger. „ Konkret wie abstrakt ist unser Lebensstil auf eine Weise von fossilen Rohstoffen geprägt, die wir noch kaum durchdrungen haben.“ Aber viele fossile Rohstoffe sind endlich und ihre Gewinnung und ihr Verbrauch belasten das Klima, zerstören die Umwelt und schaden auch der Gesundheit des Menschen.
Nachwachsende Rohstoffe: Was schon jetzt möglich ist
Ein Umstieg auf nachwachsende Rohstoffe rückt deshalb immer stärker ins Bewusstsein. Vor wenigen Tagen startete – unterstützt vom Bundesbildungsministerium – das Ausstellungsschiff „MS Wissenschaft“ wieder zu seiner Tour durch Deutschland und präsentiert Visionen, die für die Generation Erdöl ziemlich ungewohnt klingen. T-Shirts aus Holz, Strümpfe aus Chicorée und Proteine aus Insekten: Im Wissenschaftsjahr 2020/21 (mit dem Leitmotiv „Bioökonomie") zeigt das Ausstellungsschiff MS Wissenschaft, dass eine nachhaltige Wirtschaft auf Grundlage nachwachsender Rohstoffe möglich ist. Aus Pilzen lassen sich Waschmittel, Medikamente und Kosmetika herstellen. Aus Pflanzen wie Bambus und Mais werden neue Werkstoffe entwickelt, die Plastik und andere erdölbasierte Produkte ersetzen. Dämmstoffplatten aus Popcorngranulat sind naturnah hergestellt, leicht und ersetzen umweltschädliches Styropor.
„Die schwimmende Ausstellung vermittelt uns spannend, was heute technisch bereits möglich ist, woran noch geforscht wird und wie unsere Zukunft mit biobasierten Materialien und Produkten aussehen könnte“, sagte die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek, bei der Eröffnung der Ausstellung am 30. Juli in Münster.
Ausstellungsschiff „MS Wissenschaft“: Die Tour 2020
Das Schiff liegt aktuell in Dortmund und fährt von Münster zunächst Richtung Ruhrgebiet und über Rhein und Main nach Franken, anschließend dann über die Donau bis nach Straubing. Dort endet die diesjährige Tour am 17. Oktober. An Bord gelten Abstands- und Hygieneregeln sowie Maskenpflicht.
Exponate direkt aus der Forschung
Das Ausstellungsschiff MS Wissenschaft tourt im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung durch Deutschland. Die in Berlin ansässige Organisation „Wissenschaft im Dialog“ (WiD) realisiert die Ausstellung mit Unterstützung der hinter ihr stehenden Wissenschaftsorganisationen. Hierzu zählen die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, die Helmholtz-Gemeinschaft, die Hochschulrektorenkonferenz, die Leibniz-Gemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft, oder Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Die Exponate, die direkt aus der Forschung stammen, werden von diesen Organisationen zur Verfügung gestellt, von Hochschulen und weiteren Partnern.
Die Stationen der Ausstellung im Jahr 2020:
- Duisburg: 10.08. - 12.08.2020
- Bonn: 14.08. - 19.08.2020
- Köln: 20.08. - 23.08.2020
- Koblenz: 24.08. - 26.08.2020
- Frankfurt am Main: 28.08. - 31.08.2020
- Wiesbaden: 01.09. - 04.09.2020
- Gernsheim: 05.09. - 07.09.2020
- Mannheim: 09.09. - 13.09.2020
- Heidelberg: 14.09. - 17.09.2020
- Aschaffenburg: 19.09. - 21.09.2020
- Wertheim: 23.09. - 25.09.2020
- Karlstadt: 26.09. - 29.09.2020
- Würzburg: 30.09. - 04.10.202
- Bamberg: 06.10. - 08.10.2020
- Regensburg: 10.10. - 13.10.2020
- Straubing: 14.10. - 17.10.2020
Foto: Heiner Witte/Wissenschaft im Dialog