Bei Grundschulkindern kommen Suizide zwar selten vor, aber doch häufiger, als die meisten Menschen denken. So zeigen Daten des US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) aus dem Jahr 2014, dass die Suizidrate bei Kindern zwischen 5 und 11 Jahren bei 0,17 von 100.000 Personen liegt. Bei den 12- bis 17-Jährigen sterben sogar 5,18 von 100.000 Personen durch Suizid. Dennoch gibt es bisher nur wenige wissenschaftliche Studien zu den Gründen von Suiziden bei Kindern. Auch werden Selbsttötungen gerade bei kleineren Kindern häufig als Unfall dargestellt. Was man weiß, ist, dass die Motive für Suizide bei Kindern grundsätzlich verschieden von denen Erwachsener sind. Nun haben Forscher die Daten von Grundschulkindern mit denen von Jugendlichen, die alle durch Suizid verstorben waren, verglichen, um die Hintergründe für die Taten besser zu verstehen.
Verschiedene Gründe für suizidales Verhalten bei Kindern
Es gibt verschiedene Gründe dafür, dass Kinder so verzweifeln können, dass sie sich das Leben nehmen wollen. Dazu kann eine schwierige familiäre Situation gehören, schlechte Behandlung durch die Eltern, mangelnde Unterstützung, fehlendes Verständnis und soziale Isolation. Auch eine permanente schulische Überforderung, Versagensängste, schlechte Noten oder Anfeindungen in der Schule können Kinder und Jugendliche in schwere Krisen führen.
Aus Untersuchungen weiß man auch, dass junge Menschen, die einen sexuellen Missbrauch erlitten haben, ein drei- bis vierfach erhöhtes Suizidrisiko haben. Auch wenn es in der Familie bereits Suizide gegeben hat, ist das Risiko signifikant erhöht. Ebenfalls führt die Verfügbarkeit von gefährlichen Medikamente oder Schusswaffen zu einem deutlich höheren Suizidrisiko. Auch nach Selbsttötungen Prominenter beziehungsweise nach entsprechenden Fernsehsendungen gibt es häufiger Suizide – besonders unter Jugendlichen. Dieser Nachahmungseffekt hält meist ein bis zwei Wochen nach dem Ereignis an.
Kleine Kinder reagieren besonders empfindlich auf Probleme in der Familie
Ein Wissenschaftlerteam um Arielle Sheftall von der Ohio State University in Columbus (USA) hat nun Daten aus dem „National Violent Death Reporting System“ des CDC untersucht, um altersspezifische Umstände für Selbsttötungen unter Kindern und Jugendlichen zu entdecken. Dabei fanden die Forscher einige Gemeinsamkeiten zwischen den Altersgruppen. So waren die meisten Betroffenen männlich, bei einem Drittel lag eine ärztlich diagnostizierte psychische Erkrankung vor, und die Taten fanden überwiegend zuhause statt. Häufig waren zudem Probleme in der Schule oder andere Krisen kurz vor der Tat. Zudem hatten sowohl bei den 5- bis 11-Jährigen als auch bei den 12- bis 17-Jährigen etwa 30 Prozent vorher über ihre Selbsttötungsabsicht gesprochen.
Die Forscher fanden aber auch Unterschiede zwischen den Altersgruppen. So starben jüngere Kinder häufiger durch Erhängen, Strangulation oder Ersticken. Auch litten die Grundschulkinder häufiger unter einer Aufmerksamkeitsdefizitstörung (60 Prozent), während bei den älteren Kindern die Depression an erster Stelle der psychiatrischen Diagnosen stand (66 Prozent). Auch hatten die 5- bis 11-Jährigen häufiger Probleme mit Familienangehörigen oder Freunden, während bei den Älteren öfter Probleme in der Partnerschaft aufgetreten waren. Überrascht waren die Forscher darüber, dass bei 7,5 Prozent der verstorbenen Jugendlichen und immerhin noch 3,9 Prozent der Kinder Opiate im Blut festgestellt worden waren.
Warnzeichen für suizidales Verhalten erkennen
„Die Ergebnisse legen nahe, dass sich die Faktoren, die einem Suizid bei jungen Jugendlichen zugrunde liegen, nicht vollständig auf Kinder im Grundschulalter übertragen lassen“, sagt Studienautor Sheftall. Eine Vermutung, die sich aus den Daten ergeben, ist, dass Kinder, die Suizid begehen, impulsiver auf Schwierigkeiten reagieren als Jugendliche. „Zukünftige Studien sollten untersuchen, ob es einen Entwicklungsprozess gibt, bei dem das Suizidrisiko bei jungen Kindern eher durch impulsives Verhalten und mit zunehmendem Alter stärker durch depressive Stimmung und emotionalen Stress beeinflusst wird“, so die Forscher.
Wichtig sei es, dass Familienmitglieder, Schulpersonal und Kinderärzte Warnzeichen für einen bevorstehenden Suizid erkennen und lernen, damit umzugehen, erklärten die Studienautoren. Zu diesen Warnzeichen können unter anderem anhaltende Niedergeschlagenheit, ein plötzlicher Rückzug von Freunden und Aktivitäten oder eine gesteigerte Reizbarkeit sein. Die Vizepräsidentin der American Foundation for Suicide Prevention, Jill Harkavy-Friedman, betonte in einem Kommentar, es sei wichtig, dass gefährdete Kinder auf kindgerechte Weise lernen, ihre Gefühle auszudrücken und zwischenmenschliche Probleme zu bewältigen. „Jungen Kindern fehlen oft die Worte, um über ihre Gefühle zu sprechen oder um einen Konflikt durch ein Gespräch zu lösen“, so die Expertin. Zudem sollten Äußerungen, die auf Suizidabsichten deuten, immer ernst genommen werden – egal in welchem Alter.
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