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Suchmaschinen liegen bei Gesundheitsfragen oft daneben

Dienstag, 2. November 2021 – Autor:
Suchmaschinen wie Google sind keine zuverlässigen Quellen für Gesundheitsinformationen: Zu diesem Schluss kommt eine deutsch-russische Studie unter Beteiligung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Google-Suchergebnis-Seite zu einer medizischen Frage.

Suchanfragen zu Medizinthemen im Internet: „Google gab fast in jedem dritten Fall fälschlicherweise an, dass ein Mittel gegen eine bestimmte Krankheit wirkt, obwohl dafür keine wissenschaftliche Grundlage existiert“, ergab jetzt eine deutsch-russische Studie. – Foto: GStB/Zehnder

Intim-Krankheiten, Akne, Cellulite oder Schwangerschaft: Für heikle und private Gesundheitsfragen interessieren sich Verbraucher besonders oft, wenn sie im Internet nach Rat zu medizinischen Themen suchen. Aber finden sie dort auch fundierte, seriöse und fehlerfreie Antworten? „Vorsicht!“, heißt es dazu in einer jetzt vorgestellten deutsch-russischen Studie zur Vertrauenswürdigkeit von Suchmaschinen in Sachen Medizin.

Suchmaschinen-Ergebnisseiten: Textschnipsel oft mit fehler- oder mangelhaften Angaben

„Die Suchmaschinen Google und das russische Yandex sind keine zuverlässigen Quellen für Gesundheitsinformationen“, so das Fazit der deutsch-russischen Studie. „Häufig enthalten die kleinen Textschnipsel, die als Vorschau für Suchergebnisse angezeigt werden, fehlerhafte oder mangelhafte Angaben.“ Als besonders problematisch stuften die Wissenschaftler Informationen zu Hausmitteln oder sogenannten alternativen Behandlungsmöglichkeiten ein. An der Studie beteiligt waren  Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Uralischen Föderalen Universität in Russland.

Internet: 1,2 Millionen Suchanfragen zu Medizinthemen ausgewertet

Und so ging das deutsch-russische Team das Forschungsthema an: Für ihre Studie nutzten die Wissenschaftler ein Archiv von rund 1,5 Milliarden Suchanfragen der Suchmaschine Yandex, die in Russland sehr weit verbreitet ist. Mit Hilfe der Online-Wissensdatenbank Wikidata und der „internationalen Klassifikation der Krankheiten"  der Weltgesundheitsorganisation (ICD) filterten sie jene Anfragen heraus, in denen Symptome, Krankheiten und Behandlungsmöglichkeiten vorkamen. 1,2 Millionen waren das insgesamt. Die Forschenden identifizierten ungefähr 4.400 Krankheiten und Symptome sowie 1.000 medizinisch genutzte Pflanzen und andere Hausmittel, nach denen gesucht wurde.

Dr. Google: Alltägliche Probleme öfter gesucht als schwere Krankheiten

„Am häufigsten ging es um eher private, alltägliche Themen wie Schwangerschaft oder Intimkrankheiten. Insgesamt wurde auch häufiger nach der Behandlung von Akne oder Cellulite als nach Krebs gesucht", sagt  Alexander Bondarenko, Informatiker an der MLU. Die meisten Fragen fielen in eine von zwei Kategorien: Entweder wollten die Nutzer wissen, ob ein bestimmtes Mittel gegen eine Krankheit hilft. Oder sie suchten danach, wie ein Mittel bei einer Krankheit anzuwenden ist. „Im zweiten Fall wird also bereits davon ausgegangen, dass ein Mittel hilft, obwohl das längst nicht immer erwiesen ist", erläutert Pavel Braslavski, Senior Researcher und Dozent von der Uralischen Föderalen Universität.

Wie ist der Wahrheitsgehalt der „Schnipsel“ auf Suchergebnisseiten?

In einem zweiten Schritt überprüfte das Team, wie Yandex und Google auf die 30 häufigsten Fragen antworteten. Analysiert wurden dafür jeweils die ersten zehn sogenannten Antwort-Snippets (engl. „snippets“ – dt. „Schnipsel“). Das sind die kleinen Textteile, die eine Suchmaschine für alle Treffer als kurze Vorschau anzeigt. Anschließend wurde unter anderem der Wahrheitsgehalt der Schnipsel kontrolliert und ob diese Warnhinweise zu möglichen Gesundheitsrisiken enthielten. Grundlage für die Bewertung war eine Recherche zu allen untersuchten Krankheiten und Mitteln in den Datenbanken für medizinische Studien „Cochrane“, „PubMed" und „BioMed Explorer". Diese wurde von einer Ärztin durchgeführt.

Google: Bei jeder dritten Anfrage wird ein Mittel als wirksam dargestellt, obwohl der wissenschaftliche Nachweis fehlt

„Yandex gab in 44 Prozent der Fälle fälschlicherweise an, dass ein Mittel gegen eine bestimmte Krankheit wirkt, obwohl dafür keine wissenschaftliche Grundlage existiert. Bei Google waren es knapp ein Drittel der Fälle", heißt es in einer Mitteilung der Uni Halle-Wittenberg. „Bei der russischen Suchmaschine Yandex waren es sogar 44 Prozent der Fälle. Hinweise auf potenziell giftige Substanzen fand das Team nur in 13 beziehungsweise 10 Prozent der Fälle."

„Suchergebnis-Schnipsel bestätigen nur vorhandene Meinungen"

Wie ticken also die Kurzangaben („Schnipsel") auf den Ergebnisseiten der Suchmaschinen im Internet? „Die Angaben aus den Snippets tendieren dazu, bereits vorhandene Meinungen zu bestätigen und liefern viel zu selten Warnungen zu möglichen Risiken", so Bondarenko. Das sei besonders problematisch, weil frühere Studien gezeigt hätten, dass Menschen dazu tendieren, an die Wirkung bestimmter Mittel zu glauben, auch wenn es dafür keine wissenschaftliche Grundlage gibt.

Suchmaschinen: Wissenschaftler fordern Warnhinweise zu Gesundheitsrisiken

Die Forschenden plädieren deshalb dafür, Suchmaschinenergebnisse zu medizinischen Fragen mit deutlicheren Warnhinweisen auf mögliche gesundheitliche Risiken auszustatten.

Studie der Uni Köln: Harmlose Beschwerden – dramatische Internet-Diagnosen

Laut Statistischem Bundesamt suchen über zwei Drittel der Deutschen bei gesundheitlichen Beschwerden zunächst im Internet nach Informationen, bevor sie einen Arzt konsultieren. Laut einer Studie der Universität Köln von 2020 kann das jedoch schlecht für die psychische Verfassung sein. Der Expertise zufolge finden Nutzer selbst bei relativ harmlosen Symptomen immer wieder schlimmste Diagnosen vor – und machen sich entsprechend große Sorgen.

Hauptkategorie: Gesundheitspolitik
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