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Subjektives Gefühl, dement zu sein, täuscht oft nicht

Samstag, 1. August 2020 – Autor: anvo
Die persönliche Wahrnehmung kann ein wichtiges Indiz dafür sein, um eine Demenz-Erkrankung frühzeitig zu bemerken. Das haben Forscher vom Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) herausgefunden.
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Wer glaubt, dement zu werden, liegt damit oft gar nicht so falsch – Foto: ©pathdoc - stock.adobe.com

In ihrer Studie mit 449 älteren Erwachsenen stellten die Wissenschaftler vom DZNE fest, dass Personen mit subjektiv empfundenen Gedächtnisstörungen im Durchschnitt auch mehr messbare, kognitive Defizite aufwiesen. Diese Defizite hingen auch mit Auffälligkeiten im Nervenwasser zusammen. Die Forscher glauben, dass durch diese Erkenntnisse Fortschritte bei der Früherkennung und der Entwicklung von Therapien möglich seien. Die Ergebnisse wurden im Magazin „Neurology“ veröffentlicht.  

Menschen mit SCD weisen tatsächlich häufiger kognitive Defizite auf

Fachleute sprechen von „subjektiven kognitiven Beeinträchtigungen“ oder „subjective cognitive decline“ (SCD), wenn das Gedächtnis nach eigenem Empfinden nachlässt, die geistige Leistungsfähigkeit – nach objektiven Kriterien - jedoch noch im Normbereich liegt. „Menschen mit SCD haben ein erhöhtes Risiko, langfristig eine Demenz zu entwickeln. Allerdings weiß man noch wenig über die Mechanismen, die subjektiven Gedächtnisstörungen zugrunde liegen“, erklärt Professor Michael Wagner, Arbeitsgruppenleiter am DZNE und Leitender Psychologe der Gedächtnisambulanz des Universitätsklinikums Bonn.

„Wir konnten nachweisen, dass jene Menschen, die sich aufgrund von SCD an eine Gedächtnisambulanz wendeten, messbare, wenngleich nur mäßig ausgeprägte kognitive Defizite aufwiesen“, erläutert Dr. Steffen Wolfsgruber, Erstautor aktuellen Studie. Die Probanden hatten sich diversen Tests der geistigen Fähigkeiten unterzogen. Dabei ging es neben der Gedächtnisleistung auch um Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistungen in verschiedenen Situationen, etwa unter Zeitdruck. Geprüft wurden unter anderem auch das Sprachvermögen und die Fähigkeit, Objekte zu erkennen und korrekt zu benennen.

Vermehrt Amyloid-Beta-Peptide und Tau-Proteine festgestellt

Überdies wurde von 180 Probanden – 104 davon mit SCD – das „Nervenwasser“ analysiert. Diese Flüssigkeit kommt im Gehirn und Rückenmark vor. Erfasst wurde die Konzentration bestimmter Eiweißstoffe, namentlich ging es um sogenannte Amyloid-Beta-Peptide und Tau-Proteine. „Diese Biomarker-Messwerte ermöglichen Rückschlüsse auf etwaige Nervenschädigungen und Vorgänge, die mit einer Alzheimer-Erkrankung einhergehen“, so Wolfsgruber.

„Wir haben festgestellt, dass bei unseren Probanden mit SCD im Mittel leichte kognitive Defizite vorliegen und dass diese mit jenen Eiweißstoffen zusammenhängen, die auf eine frühe Alzheimer-Erkrankung hindeuten. Daher nehmen wir an, dass sowohl die subjektiven Beschwerden als auch die minimalen objektiven kognitiven Defizite auf Alzheimer-Prozesse zurückzuführen sind. Das ist nicht selbstverständlich, denn für Gedächtnisstörungen gibt es viele Ursachen“, meint Studienleiter Michael Wagner.

Vorübergehende Gedächtnisstörungen müssen kein Zeichen für Demenz sein

Die Forscher betonen auch, dass viele ältere Menschen zeitweilig subjektive Gedächtnisstörungen aufweisen, ohne dass dies auf eine frühe Alzheimer-Erkrankung hinweisen muss. Die Forscher hoffen dennoch, dass SCD dazu beitragen kann, eine Alzheimer-Erkrankung frühzeitig zu erkennen.

Überdies könnten die Ergebnisse für die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden von Nutzen sein. „Aktuelle Therapien gegen Alzheimer setzen zu spät an. Dann ist das Gehirn schon stark geschädigt“, so Wagner. „Ein besseres Verständnis der SCD könnte die Grundlage für eine frühere Behandlung schaffen.“

Foto: © Adobe Stock / pathdoc

Hauptkategorien: Medizin , Demografischer Wandel
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