Stürze im Alter: 20 Prozent der Krankenhausfälle durch Prävention vermeidbar

Stürze im Alter hinterlassen häufig körperliche und psychische Schäden und führen ins Krankenhaus. Ab 75 steigt das Risiko dafür exponentiell. – Foto: AdobeStock/Rawpixel.com
Die Gefahr, sich durch einen Sturz zu verletzen, steigt mit dem Alter deutlich an. „Geringere Körperkraft, nachlassendes Sehvermögen und Balancegefühl können dafür ebenso der Grund sein wie bestimmte Erkrankungen, die Einnahme von Medikamenten oder Stolperfallen in den eigenen vier Wänden“, heißt es bei der Verbraucherorganisation „Das Sichere Haus“. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts ist bei rund 86 Prozent aller tödlichen Haushaltsunfälle ein Sturz die Ursache. Davon betroffen sind vor allem ältere und hochbetagte Menschen, denn ab 75 steigt das Sturzrisiko überproportional an. Typische körperliche Folgen sind Prellungen und Knochenbrüche; zu den psychischen Folgen gehört etwa die Angst, dass sich so ein Sturz wiederholen könnte. Beides kann negative Folgen für Lebensqualität und Eigenständigkeit der Betroffenen nach sich ziehen.
Neue weltweite Standards zur Sturzprävention
Doch Stürze sind nicht in jedem Fall Pech oder Schicksal. „Durch eine frühzeitige Prävention – also gezielter Vorsorge – könnten wir die Zahl der Krankenhaus-Einweisungen um 20 Prozent reduzieren“, sagt Clemens Becker, Sturz-Experte der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG). Der Altersmediziner aus Stuttgart gehört als Vertreter Deutschlands zu einer Gruppe von 96 Wissenschaftlern aus 39 Ländern, die zur Bekämpfung dieses Problems jetzt neue Empfehlungen aufgestellt hat.
„Uns ist es nach zwei Jahren Arbeit erstmals gelungen, einen globalen Konsens zu schaffen für die Prävention, Diagnostik und Therapie von Stürzen“, sagt der Altersmediziner. Mit den jetzt veröffentlichen „World Falls Guidelines“, der ersten globalen Leitlinie zur Sturzprävention, stellen die Experten eine Reihe von evidenz- und konsensbasierten Empfehlungen zur Sturzprävention und -behandlung für ältere Erwachsene zur Verfügung, die insbesondere den medizinischen Fachkräften neue Möglichkeiten bieten.
Sturzprophylaxe ganz konkret: Jährliche Hausarzt-Befragung und Gang-Analyse
Doch wie soll so etwas Theoretisches wie die Sturzprophylaxe in ganzen Gesellschaften mit handfesten Maßnahmen umgesetzt werden? Insbesondere für Industrieländer wie Deutschland ergeben sich aus den neuen Richtlinien folgende Empfehlungen: Alle älteren Erwachsenen sollten wesentlich umfänglicher als bisher zur Sturzprävention und körperlichen Aktivität beraten werden. Mindestens einmal im Jahr sollte der Hausarzt betroffene Patienten nach Stürzen oder Sturzrisiken befragen. Zur Untersuchung sollte auch eine Ganganalyse gehören.
Schritttempo unter 0,8 Meter pro Sekunde: Erhöhtes Sturzrisiko
„Wir wissen: Unterschreitet das Schritttempo 0,8 Meter in der Sekunde, steigt das Sturzrisiko“, sagt Altersmediziner Becker, Leiter der Forschung zur Mobilität des Menschen am Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart und Leiter des Bereichs Digitale Geriatrie am Universitätsklinik Heidelberg. „Außerdem sollten Menschen mit Demenz oder Parkinson unbedingt Zugang zu systematischen Trainingsprogrammen erhalten.“ Betroffene sollten eine gezielte Physiotherapie und Übungsprogramme durchlaufen.
Spezial-Prävention für Menschen in Alters- und Pflegeheimen
Insbesondere für ältere Menschen in Gemeinschaftseinrichtungen wie Pflegeheimen soll es eine auf den individuellen Gesundheits- oder Krankheitszustand zugeschnittene Prävention für das Sturzrisiko geben. „Personen mit hohem Risiko sollte eine umfassende multifaktorielle Bewertung angeboten werden, um eine personalisierte und fachübergreifende medizinische Behandlung zu gewährleisten“, sagt Facharzt Becker. Damit ließe sich das zukünftige Sturzrisiko dieser Personen erheblich reduzieren.