Studie zur Intersexualität: Wenn das Neugeborene weder Mädchen noch Junge ist
Ist es ein Junge oder ein Mädchen? Üblicherweise liegt die Antwort auf der Hand. Doch manchmal lässt sich die Frage nicht so eindeutig beantworten. Schätzungsweise eines von 4.500 Kindern wird mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen geboren. Intersexuelle Körper weisen Ähnlichkeiten mit beiden, dem männlichen wie weiblichen, Geschlechtern auf und werden deshalb auch „zwischengeschlechtlich“ genannt. Wie gut betroffene Eltern in Deutschland beraten und unterstützt werden, untersuchen jetzt Wissenschaftler von der Bochumer Ruhr-Universität in einer Studie. Ziel der Studie ist es, Stärken und Schwächen der real praktizierten Medizin im Fall von intersexuell geborenen Kindern zu identifizieren. Dazu führen die Gender-Wissenschaftler um Prof. Dr. Katja Sabisch Interviews mit Eltern intersexuell geborener Kinder durch, die seit 2010 in Nordrhein-Westfalen zur Welt gekommen sind. Außerdem befragen sie Ärztinnen und Ärzte, welche Maßnahmen sie bei Geburt eines betroffenen Kindes ergreifen.
Geschlechtsumwandlung wird immer noch praktiziert
„Betroffene erfahren oft großes Leid“, sagt Prof. Sabisch. „Deshalb wollen wir die Versorgungsqualität prüfen und Schwachstellen identifizieren.“ Eine Hamburger Studie hatte 2007 bereits gezeigt, dass viele Intersexuelle mit ihrer Situation und der Behandlung in Kliniken äußerst unzufrieden sind. Aus Sicht von Experten wird das Leid durch geschlechtszuweisende Operationen im frühen Kindesalter oder medikamentöse Behandlungen noch verstärkt. Behandlungen dieser Art würden meist ohne Aufklärung vorgenommen und seien rechts- und menschenrechtswidrig, kritisiert etwa der Bundesverband Intersexueller Menschen.
Seit 2013 darf das Geschlecht im Geburtsregister offen bleiben
Geschlechtszuweisende Operationen bei intersexuellen Kindern werden seit den 1970er Jahren praktiziert und sind auch heute noch gang und gäbe. Dabei stellte der Deutsche Ethikrat 2012 fest, dass irreversible medizinische Maßnahmen zur Geschlechtszuordnung einen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit darstellen. Kurz darauf sprach sich die Gesundheitsministerkonferenz der Länder auf Initiative der nordrhein-westfälischen Landesregierung dafür aus, die Empfehlungen des Deutschen Ethikrates zur Intersexualität aufzugreifen und geeignete Maßnahmen zu entwickeln, um die Diskriminierung und das damit verbundene schwere Leid der Betroffenen zu beenden. In diesem Zusammenhang damit steht auch die seit dem 1. November 2013 gültige neue Vorschrift im Personenstandsgesetz: Seither kann der Geschlechtseintrag im Geburtsregister bei Neugeborenen mit „uneindeutigem“ Geschlecht offen bleiben.
Die Studie „Intersexualität in NRW. Eine qualitative Untersuchung der Gesundheitsversorgung von zwischengeschlechtlichen Kindern in Nordrhein-Westfalen“ wird vom Landeszentrum Gesundheit NR unterstützt.
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