Studie untersucht Rheuma-Medikament gegen Zytokinsturm bei COVID-19
Eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verläuft in vielen Fällen harmlos, doch bei einem Teil der Patienten kommt es zu einem schweren bis lebensbedrohlichen Verlauf. Ein augenscheinlicher Grund ist eine geschwächte Immunabwehr, die nicht in der Lage ist, das Virus zu eliminieren. Da das Immunsystem altert, haben vor allem ältere Menschen ein erhöhtes Risiko. Aber auch Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen, etwa Organtransplantierte, die Immunsuppressiva einnehmen, gehören zur Risikogruppe.
Immunsystem außer Kontrolle
Daneben kann es im Rahmen einer COVID19-Infektion auch zu einer überschießenden Reaktion des Immunsystems kommen. Ärzte sprechen von einem Zytokinsturm. Hierbei greifen Entzündungsbotenstoffe, vor allem Interleukine, nicht nur das Virus, sondern „versehentlich“ auch die Lunge und andere Organe an. Ärzte konnten in Blutproben zeigen, dass der Botenstoff Interleukin-6 bei Patienten mit sehr schweren Covid-19 Verläufen erhöht ist.
Zytokinstürme sind von Autoimmunerkrankungen bekannt und treten auch bei bestimmten Krebsbehandlungen auf, etwa im Rahmen einer CAR-T-Zelltherapie bei Leukämie. „Der Zytokinsturm bei Covid-19 erinnert uns an Verläufe, die wir zum Beispiel von der CAR-T-Zelltherapie bei Blutkrebs kennen“, sagt Prof. Dr. Dr. Michael von Bergwelt, Onkologe und Intensivmediziner am Klinikum der Universität München (LMU).
Antikörper soll Zytokinsturm bremsen
In diesen Fällen hat sich der Antikörper Tocilizumab bewährt, der verhindert, dass Interleukin auf der Zelloberfläche andocken kann. Ob das Mittel des Pharmakonzerns Roche auch bei COVID-19 wirksam ist, wird jetzt in der COVACTA Studie überprüft. Roche kooperiert dabei mit der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA und der biomedizinischen Forschungs- und Entwicklungsbehörde BARDA des US-Gesundheitsministeriums sowie mit dem Paul-Ehrlich-Institut in Deutschland.
München behandelt erste COVID-19 Patienten mit Tocilizumab
Eines der beteiligten Studienzentren ist das LMU Klinikum. „Erste publizierte Fallberichte und unsere eigenen Erfahrungen aus der Zelltherapie deuten an, dass dieser Ansatz großes Potenzial haben könnte“, sagt Prof. Marion Subklewe, Leiterin des CAR-T-Zellprogramms am LMU Klinikum.
In die Studie sollen weltweit 330 Patienten eingeschlossen werden. In München sind bereits vor Ostern die ersten beiden deutschen Patienten mit dem Ansatz behandelt worden.
Tocilizumab ist in Deutschland zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA) und der schwersten Form des kindlichen Rheumas, der systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis, zugelassen. Hinsichtlich COVID-19 gibt es noch keine klinische Evidenz für das Mittel. Roche will aber "die Studienergebnisse so schnell wie möglich teilen."
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