Der jüngste Masernausbruch hatte in Deutschland mal wieder die Diskussion um eine Impfpflicht angeheizt. Einige Politiker hatten gefordert, die Masern-Mumps-Röteln-Impfung für Kinder verpflichtend zu machen. Welchen Einfluss die Einführung einer solchen teilweisen Impfpflicht auf die Impfbereitschaft haben könnte, haben Forscher der Universität Erfurt und der RWTH Aachen nun in einer online-Studie untersucht. Demnach könnte die generelle Impfbereitschaft – auch gegenüber den restlichen Impfungen wie der Pneumokokkenimpfung – sinken. Vor allem bei den Impfskeptikern.
Andere wichtige Impfungen könnten auf der Strecke bleiben
Für ihre Befragung teilte das Team um Dr. Cornelia Betsch und Dr. Robert Böhm 300 Probanden in zwei Gruppen ein. Die erste Gruppe wurde in einem ersten Schritt zu einer fiktiven Impfung verpflichtet und durfte sich im zweiten Schritt freiwillig für oder gegen eine Impfung entscheiden. In der zweiten Testgruppe setzten die Forscher von vornherein auf Freiwilligkeit. In der ersten Gruppe sank die Impfbereitschaft von Menschen mit negativer Einstellung gegenüber dem Impfen im Vergleich zur zweiten Gruppe um 39 Prozent. „Die Einführung einer teilweisen Impfpflicht kann also paradoxe Effekte haben“, kommentiert Cornelia Betsch von der Universität Erfurt das Ergebnis. „Gerade die Impfskeptiker, denen durch Impfpflicht begegnet werden soll, könnten so einen weit größeren Effekt auf das gesamte Impfprogramm haben, als es bei freiwilliger Impfung der Fall ist.“
Impfpflicht? Aufklärung statt Zwang
Psychologen nennen den Effekt psychologischer Reaktanz. Gemeint ist, dass die eingeschränkte Entscheidungsfreiheit bei der nächsten Gelegenheit „zurückgeholt“ wird. Angesichts der Studienergebnisse halten die Wissenschaftler eine Impfpflicht für wenig zielführend. Betsch: „Wir schließen daraus, dass eine sinnvolle und gute Impfaufklärung der Bevölkerung effektiver wäre als die Einführung der Impfpflicht – vor allem einer nur teilweisen.“ Auch die meisten Infektionsmediziner halten wenig von einer Impfpflicht.
Die Studie des Center for Empirical Research in Economics and Behavioral Sciences (CEREB) der Universität Erfurt und der RWTH Aachen ist im „European Journal of Public Health“ erschienen.
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