
Arztbriefe aus dem Krankenhaus bringen Hausärzte regelmäßig zur Verzweiflung, so das Ergebnis einer Studie der Universität Düsseldorf
Der klinische Entlassungsbrief soll in erster Linie eines gewährleisten: Die verlustfreie und eindeutige Übermittlung therapierelevanter Informationen an den Hausarzt. Doch die Empfänger verstehen oft nur Bahnhof und haben Mühe ihre Kollegen aus dem Krankenhaus zu verstehen.
Das zeigt eine Umfrage der Universität Düsseldorf in Zusammenarbeit mit deutschen Hausärzteverbänden. 197 Hausärzte wurden darin zu den häufigsten Problemen in Arztbriefen befragt. Die Studie offenbart, dass einheitliche Standards fehlen, Missverständnisse eher die Regel als die Ausnahme sind und Arztbriefe von nahezu allen Hausärzten nicht auf Anhieb verstanden werden.
Missverständliche Formulierungen
„Missverständliche Formulierungen in Arztbriefen bringen die Allgemeinmediziner regelmäßig zur Verzweiflung“, sagt Dr. Sascha Bechmann vom Lehrstuhl für Germanistische Sprachwissenschaft der Universität Düsseldorf. Vor allem fachinterne Ausdrücke und unbekannte oder doppeldeutige Abkürzungen böten unerwünschten Spielraum für Interpretationen. „Doch dass solche Dokumente keinen Spielraum für Interpretationen geben dürfen, liegt auf der Hand“, sagt Bechmann mit Blick auf die Relevanz der Informationen für die korrekte Weiterbehandlung des Patienten.
Nahezu alle Hausärzte gaben an, Arztbriefe in manchen Fällen nicht auf Anhieb zu verstehen. „Für Hausärzte, die für die Weiterbehandlung auf unmissverständliche und eindeutige Patienteninformationen angewiesen sind, ist dieser Zustand nicht nur ärgerlich, sondern er kann auch schwerwiegende Folgen für die Behandlung des Patienten nach sich ziehen“, sagt Bechmann. Immerhin 88 Prozent der befragten Hausärzte waren der Meinung, dass unverständliche oder fehlerhafte Arztbriefe zu Behandlungsfehlern führen können.
Rätselhafte Abkürzungen
Insgesamt hielten 99 Prozent der Befragten die Qualität der Arztbriefe verbesserungswürdig. Nur 3,6 Prozent der Befragten waren in ihrer bisherigen beruflichen Laufbahn noch nicht mit missverständlichen Arztbriefen konfrontiert worden. Vor allem nicht erklärte Abkürzungen werden als problematisch empfunden: 34 Prozent der Befragten gaben an, dass unbekannte Abkürzungen häufig oder sehr häufig in Arztbriefen vorkommen. Dagegen mussten sich nur 1,5 Prozent der Hausärzte noch nicht mit rätselhaften Abkürzungen auseinandersetzen.
Weiter bemängelten die Hausärzte logische Fehler und fehlende Informationen. Aber auch ein schlechter Sprachstil, Rechtschreib- und Grammatikfehler sowie Floskeln und Wiederholungen wurden kritisiert.
In Arztbriefen lauern Fehlerquellen
Fast alle Befragten (99 %) geben an, schon einmal einen fehlerhaften Arztbrief erhalten zu haben. Ein Problem scheint dabei zu sein, dass die Informationen in den Briefen nicht zu den beigefügten Befunden passen. Ausgerechnet in solchen Textteilen, die konkrete Handlungsempfehlungen für den Hausarzt enthalten, sind die Fehlerquoten hoch. Die größten Fehlerquellen sind laut den Befragten die Entlassungsmedikation (von 76,6 % der Hausärzte ausgewählt), die Therapieempfehlungen (von 74,1 % ausgewählt) und die Epikrise (von 64,5 % ausgewählt).
Unstrukturiert und voller Widersprüche
Daneben kritisierten die Befragten, dass die Entlassungsbriefe häufig verschiedene Gliederungsstrukturen und Formate aufweisen, Informationen vergessen oder falsch gewichtet und wesentliche Therapieschritte nicht kommentiert werden. Zudem weisen die Briefe nicht selten inhaltliche und fachliche Fehler sowie Widersprüche auf und häufig werden zu viele irrelevante Informationen und Textbausteine ohne Interpretation aneinandergereiht. Insbesondere vage Formulierungen sowie lange und komplizierte Sätze wurden als zentrale Quellen für Verständnisprobleme genannt.
„Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Qualität der klinischen Entlassungsbriefe stark verbesserungswürdig ist“, folgern die Studienautoren. Entscheidend seien dabei strukturelle und inhaltliche Standards, die bislang fehlten. Weniger entscheidend für das Verständnis seien Textlänge und formale Kriterien.
Hausärzte müssen mitunter zehn Arztbriefe am Tag lesen. Das kostet ungefähr eine Stunde Zeit. Klinikärzte verbringen mit dem Verfassen der Entlassungsberichte sogar drei bis vier Stunden täglich.
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