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Stromtherapie wirkt gegen chronische Müdigkeit

Montag, 6. Juni 2016 – Autor:
Bei krankhafter Müdigkeit kann eine schwache Elektrostimulation des Gehirns das Schlafbedürfnis reduzieren und die Wachheit steigern. Das konnten Freiburger Wissenschaftler nun nachweisen.
Gleichstrom wirkt gegen Müdigkeit

Chronische Müdigkeit kann sehr quälend sein – Foto: Ivan Kruk - Fotolia

Chronische Müdigkeit kann viele Ursachen haben. So kann sie die Folge psychischer Beschwerden sein, als Begleiterscheinung bei Krebs auftauchen oder aber auf eine eigenständige Erkrankung, das Chronische Erschöpfungssyndrom (CFS), hinweisen. Nicht selten ist ständige Müdigkeit auch eine Folge von bestimmten Hirnerkrankungen. Dabei kommt es nicht nur zu einem erhöhten Schlafbedürfnis in der Nacht, sondern auch zu verstärkter Tagesmüdigkeit, welche die Lebensqualität der Patienten stark einschränken kann. Wissenschaftler der Universitätsklinik Freiburg konnten nun nachweisen, dass eine schwache Elektrostimulation des Gehirns der chronischen Müdigkeit entgegenwirken kann.

Zunächst führten die Forscher bei gesunden Probanden vor der Nachtruhe eine transkranielle Gleichstromstimulation durch, bei der ein sehr schwacher Strom durch den Schädel geleitet wird. Im Schnitt benötigten die Probanden dadurch 25 Minuten weniger Schlaf pro Nacht als ohne Stimulation. „Bei den Probanden hat die Gleichstromstimulation das Schlafbedürfnis deutlich verringert, ohne dass negative Effekte auf Konzentration, Wachheit und Gedächtnisbildung aufgetreten sind“, sagt Studienleiter Professor Christoph Nissen, Ärztlicher Leiter des Schlaflabors an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg. Auch die Schlafarchitektur, also die Zusammensetzung von Leicht-, Tief- und REM-Schlaf, die für die nächtliche Verarbeitung von Informationen wichtig ist, blieb unverändert.

Chronische Müdigkeit oft schwer zu behandeln

Grundlage dafür, dass Menschen sich wach und ausgeschlafen fühlen, ist eine ausgewogene hohe Aktivierbarkeit des Gehirns. Diese wird durch sogenannte Arousalprozesse im Gehirn gesteuert und lässt sich mit einem Elektroenzephalogramm messen. Bei Patienten mit Parkinson, chronischer Depression und Hirnschädigungen, etwa nach einem Schlaganfall, sind diese Arousalprozesse oft verringert, was ein extrem großes Schlafbedürfnis zur Folge haben kann. Bei vielen Patienten führen die gängigen Therapieverfahren wie Aktivierungsprogramme und Medikamente nicht zu einer ausreichenden Besserung. Für diese Patienten könnte die Stromtherapie in Zukunft eine wirksame und gut verträgliche Behandlungsart sein, hoffen die Forscher.

Bei einem chronisch müden Patienten konnten die Ärzte die Wirksamkeit der Stromtherapie bereits nachweisen. Der Mann hatte nach einem Bienenstich einen anaphylaktischen Schock erlitten und musste reanimiert werden. In der Folge litt er zehn Jahre lang unter extremer Tagesmüdigkeit; auf bisher verfügbare Therapien sprach er nicht an. Im Abstand von einem Monat wurde er an jeweils drei Tagen mit einer transkraniellen Elektrostimulationen behandelt. Bereits kurz darauf sank sein Tagschlafbedürfnis von 3,5 Stunden an vier Tagen pro Woche auf 2,5 Stunden an weniger als zwei Tagen.

Aktivierung der Großhirnrinde kann Schlafbedürfnis verändern

Neben der direkten klinischen Anwendung gibt die Studie den Autoren zufolge auch wichtige Hinweise auf die Steuerung von Schlafprozessen im Allgemeinen. Bislang lagen nur tierexperimentelle Daten vor, dass lokale Aktivitätsänderungen der Großhirnrinde die Schlafdauer beeinflussen. Die Freiburger Forscher fanden nun heraus, dass eine Veränderung in der Aktivität der Großhirnrinde, wie sie durch die Stromtherapie veranlasst werden kann, auch beim Menschen den Schlafprozess verändern kann. „Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass es einen Informationsweg aus der Großhirnrinde in tiefer liegende Bereiche des Gehirns gibt, die den Schlaf steuern“, so Nissen. Die Ergebnisse der experimentellen Studie müssen vor einer breiteren klinischen Anwendung aber noch weiter auf Wirksamkeit und Sicherheit des Verfahrens untersucht werden.

Foto: © Ivan Kruk - Fotolia.com

Hauptkategorie: Medizin
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