Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Stottern: Überaktive Hirnareale sind schuld

Samstag, 23. Dezember 2017 – Autor: anvo
Bisher ist nur wenig über die Ursachen des Stotterns bekannt. Forscher haben nun herausgefunden, dass ein überaktives Netzwerk im vorderen Bereich des Gehirns eine wesentliche Rolle bei der Sprachstörung spielen könnte.
Ursache von Stottern

Stottern ist für die Betroffenen sehr belastend

Flüssig zu sprechen, erscheint den meisten Menschen als vollkommen selbstverständlich. Doch für ein Prozent der Erwachsenen und fünf Prozent der Kinder ist dies eine tägliche Herausforderung: Sie stottern, das heißt sie ringen immer wieder damit, Sätze durchgehend auszusprechen und wiederholen beispielsweise krampfhaft den Anfang eines Wortes.

Die Ursachen dieser Sprachstörung sind bisher weitgehend unbekannt. Nun haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig und der Universitätsmedizin Göttingen herausgefunden, dass ein überaktives Netzwerk im vorderen Bereich des Gehirns eine wesentliche Rolle für dieses Defizit spielen könnte. Es hemmt die Betroffenen darin, Sprechbewegungen vorzubereiten und auszuführen – und hindert sie so daran, flüssig zu sprechen.

Ungleiche Aktivitäten der Hirnseiten

Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass beim Stottern ein Ungleichgewicht zwischen der Aktivität beider Hirnhälften auftritt: Eine Region im linken Stirnhirn ist zu schwach aktiviert, die entsprechende Region in der rechten Hirnhälfte ist wiederum zu stark aktiviert. Dennoch war bisher unklar, was diese veränderte Hirnaktivität bedeutet und wie sie zustande kommt. Bewirkt die minderaktive linke Hirnhälfte, dass die rechte Hirnhälfte ihre Aktivität als eine Art Ausgleichsreaktion erhöht, um so einem Funktionsausfall entgegenzusteuern? Oder ist es genau umgekehrt und die hyperaktive rechte Seite unterdrückt die Aktivierung auf der linken und ist demnach die eigentliche Ursache des Stotterns?

In ihrer aktuellen Studie sind die Forscher nun zu einer entscheidenden Erkenntnis gelangt: Die Überaktivität in den Regionen auf der rechten Hirnseite scheint der eigentliche Grund für das Stottern zu sein. „Die rechte untere Windung des Stirnhirns ist bei allen Menschen immer dann besonders aktiv, wenn wir Bewegungen wie Hand- oder Sprechbewegungen stoppen“, erklärt Nicole Neef, Neurowissenschaftlerin am MPI CBS und Erstautorin der zugrundeliegenden Studie. „Ist diese Region jedoch überaktiv, kommt es zu einer übermäßigen Hemmung. Bei Personen, die stottern, sind davon höchstwahrscheinlich gerade jene Hirnregionen betroffen, die die Sprechbewegungen steuern.“

Dazu gehören die für das Sprechen relevanten Bereiche im linken Frontallappen, insbesondere der sogenannte linke Gyrus frontalis inferior (IFG), der für die Planung des Sprechens zuständig ist, sowie der linke Motorcortex, der dann die eigentlichen Sprechbewegungen steuert. „Sind diese beiden Prozesse zu stark gehemmt, wird eine Person daran gehindert, flüssig zu sprechen“, so Neef.

Überaktivität des rechten IFG hemmt flüssige Sprechbewegung

Während einer MRT-Untersuchung sollten sich die Probanden vorstellen, die Monatsnamen aufzuzählen. Diese Methode des imaginären Sprechens wählten die Forscher, um sicherzustellen, dass tatsächliche Sprechbewegungen die sensiblen MRT-Signale nicht stören. Die Neurowissenschaftler konnten so per Hirnscanner auch analysieren, ob bei den stotternden Probanden von den überaktiven Regionen auf der rechten Hirnseite möglicherweise veränderte Faserverbindungen ausgehen. Und tatsächlich: Innerhalb des hyperaktiven rechten Netzwerkes entdeckten sie eine Faserbahn, die bei den Betroffenen deutlich stärker ausgebildet war, als bei Teilnehmern ohne Sprechprobleme.

„Je stärker der sogenannte Frontale Aslant Trakt (FAT) war, desto schwerer war das Stottern ausprägt. Aus früheren Studien wissen wir, dass diese Verbindung eine wichtige Rolle bei der Feinabstimmung von Signalen spielt, die Bewegungen hemmen“, erklärt Neef. Der rechte Gyrus frontalis inferior (IFG) ist also überaktiv, weil die umgebenden Faserverbindungen wie der Frontale Aslant-Trakt stärker ausgebildet sind. Das hemmt den linken IFG und damit das fließende Sprechen. Zusammenfassend erklärt die Neurowissenschaftlerin: „Die übermäßige Aktivität dieses Netzwerkes und seine stärkeren Verbindungen könnten darauf hindeuten, dass die eigentliche Ursache des Stotterns darin liegt, dass Sprechbewegungen zu stark gehemmt werden.“

Foto: © ALDECAstudio - Fotolia.com

Hauptkategorie: Medizin
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Kinder , Neurologie

Weitere Nachrichten zum Thema Sprachstörung

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin