Die Forscher untersuchten die Sehkraft von Erstklässlern ohne Sehschwäche an zwölf Grundschulen. Die Hälfte der Schüler verbrachte über einen Zeitraum von drei Jahren täglich 40 Minuten draußen bei Sport und Spiel. Zusätzlich sollten ihre Eltern sie ermutigen, draußen zu spielen. Nach drei Jahren stellten die Untersucher bei rund 30 Prozent der Schüler eine Kurzsichtigkeit fest. In der Kontrollgruppe, deren Spielverhalten unverändert blieb, waren es 40 Prozent.
Die entscheidende Rolle scheint dabei das Tageslicht zu spielen. „Helles Tageslicht hemmt das Längenwachstum des Augapfels im Kindesalter“, so Prof. Frank Schaeffel vom Forschungsinstitut für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Tübingen. Bei Lichtmangel wächst der Augapfel zu sehr in die Länge. Die Brechkraft von Hornhaut und Linse reicht dann nicht aus, um auf der Netzhaut ein klares Bild zu erzeugen, denn das Licht wird schon vor der Netzhaut gebündelt. Entfernte Objekte erscheinen daher unscharf. Die Person ist kurzsichtig.
Wichtiges Tageslicht: Spielen im Freien schützt vor Kurzsichtigkeit
„Um das zu verhindern, sollten die Augen täglich Beleuchtungsstärken von rund 10.000 Lux ausgesetzt sein“, so Schaeffel. Dies entspricht den Werten eines leicht bewölkten Sommertags. Ein Klassenzimmer bringt es auf etwa 500 Lux. Auch die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) sieht einen Mangel an Tageslicht als mögliche Erklärung für die weltweit steigende Zahl kurzsichtiger junger Menschen. Sie rät daher zur Vorbeugung, Kinder möglichst viel bei Tageslicht draußen spielen zu lassen.
In China sind bis zu 90 Prozent der jungen Erwachsenen kurzsichtig. In Deutschland beträgt der Anteil derzeit 35 bis 40 Prozent. Schon seit einiger Zeit steht die Naharbeit an Bildschirmen unter Verdacht, die Sehkraft zu mindern. In jedem Fall nimmt die Zeit vor Laptop, I-Pod oder Smartphone den Kindern Zeit für das Toben im Freien.
Auch erbliche Faktoren spielen Rolle bei Kurzsichtigkeit
Aber auch erbliche Faktoren spielen eine Rolle bei der Entsehung der Kurzsichtigkeit. Die Forschergruppe Consortium for Refractive Error and Myopia (CREAM), an der Wissenschaftler der Gutenberg-Gesundheitsstudie der Universitätsmedizin Mainz beteiligt sind, hat neun neue genetische Risikofaktoren entdeckt, die mit dem Bildungsverhalten – als dem wichtigsten Umweltfaktor der Kurzsichtigkeit – zusammenwirken. Der Gutenberg-Studie zufolge erhöht die Anzahl der Bildungsjahre das Risiko für Kurzsichtigkeit.
Eines der Risiko-Gene ist besonders interessant, da es im Auge eine wichtige Rolle für die Übertragung des Neurotransmitters Gamma-Aminobuttersäure (GABA) spielt. Das betreffende Gen ist bei kurzsichtigen Augen stärker aktiviert. Dies wäre ein möglicher Ansatzpunkt für künftige Therapien, sagt Prof. Norbert Pfeiffer, Direktor der Augenklinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz. Zur Klärung, wie genetischen Ursachen und Bildungsgrad als umweltbedingter Faktor konkret ineinander greifen, bedarf es aber weiterer Forschungen.
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