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Spahn hält Krebs in 10 bis 20 Jahren für besiegt – und erntet Widerspruch

Samstag, 2. Februar 2019 – Autor:
Jens Spahn sieht gute Chancen, „dass wir in 10 bis 20 Jahren den Krebs besiegt haben.“ Mit seinem jüngsten Tweet hat sich der Bundesgesundheitsminister keinen Gefallen getan. Aus der Wissenschaft kommt heftiger Widerspruch.
Spahn, Krebs, besiegt

Jens Spahn twittert, Krebs sei in 10 bis 20 Jahren besiegbar, und die Wissenschaft widerspricht

Kaum hatte die Bundesregierung die „Nationalen Dekade gegen den Krebs“ ausgerufen, erntet Bundesgesundheitsminister Jens Spahn viel Widerspruch. Am Freitag hatte er getwittert „Die Chancen stehen gut, dass wir in 10-20 Jahren den Krebs besiegt haben“ und diese Aussage gegenüber der Rheinischen Post wiederholt. Wissenschaftlich ist diese kühne Aussage nicht haltbar. „Das ist eine sehr allgemeine Hoffnung, die so einfach nicht funktioniert“, wird der Leiter des Charité Comprehensive Cancer Centers Prof. Ulrich Keilholz von Medien der Funke Gruppe zitiert. Ähnlich lautende Aussagen habe es schon in den 1960er Jahren gegeben, die aber eher politisch motiviert als wissenschaftlich fundiert gewesen seien. Was der Krebsexperte für möglich hält, ist, dass Krebs besser beherrschbar wird und Betroffene länger damit leben können. Dies sei heute schon zunehmend möglich, meinte Keilholz.

Krebs lässt sich nicht so einfach besiegen

Der Direktor des Universitären Cancer Center des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, Carsten Bokemeyer, bezeichnete Krebs als „eine Geißel der Menschheit, die in den Zellen angelegt ist.“ Zwar werde es große Fortschritte in der Krebstherapie geben. Jedoch entwickelten Krebszellen immer Mechanismen, um den Therapien zu entkommen. Auch Vertreter der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Krebshilfe dämpften die Erwartungen. "Das ist eine sehr heroische Aussage, da muss man vorsichtig sein."

Krebs ist in Deutschland die zweithäufigste Todesursache und die Krankheit, die den Menschen am meisten Angst macht. Experten des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) gehen aufgrund der älter werdenden Gesellschaft von einer Zunahme der Krebsneuerkrankungen in Deutschland auf bis zu 600.000 pro Jahr bis 2030 aus.

„Nationale Dekade gegen den Krebs“ ausgerufen

Deswegen haben das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gemeinsam mit vielen weiteren Partnern die „Nationale Dekade gegen den Krebs“ ausgerufen. In einem ersten Schritt fördert das BMBF mit 62 Millionen Euro „praxisverändernde“ klinische Studien zur Prävention, Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen. Weitere Initiativen sollen folgen.

„Die wichtigsten Erwartungen an die Krebsforschung und -medizin sind, spürbare Fortschritte zu erzielen, die schnell bei den Patienten ankommen und zu erforschen, wie die Entstehung von Krebsneuerkrankungen verhindert werden kann“, sagte Prof. Dr. Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) bei einer Pressekonferenz am Dienstag. „Dazu benötigen wir eine langfristige Förderung, vielfältige Expertisen, hochspezialisierte, vernetzte Infrastrukturen und eine sehr enge Kooperation von Grundlagenforschern und klinisch tätigen Ärzten.“

Spahn auf der Pressekonferenz

Auch Jens Spahn saß mit am Tisch. Dabei bezeichnete er den Kampf gegen Krebs als eine der größten gesundheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit. „In einer gemeinsamen nationalen Kraftanstrengung packen wir diese Herausforderung jetzt an.“ Denn nur mit gebündelten Kräften sei der Wettlauf gegen Krebs zu gewinnen.

Das hörte sich noch moderat an. Warum er dann am Freitag seine Äußerung „Die Chancen stehen gut, dass wir in 10-20 Jahren den Krebs besiegt haben“ getwittert hat, bleibt ein Rätsel. Ein Missverständnis? Eine Klarstellung ist bis jetzt nicht erfolgt.

Krebs: völlig unterschiedliche Krankheiten

Krebs ist ein Sammelbegriff für ganz unterschiedliche Krankheiten. So haben zum Beispiel ein Hirntumor, ein Lungenkarzinom oder Blutkrebs lediglich gemeinsam, dass Zellen entarten und unkontrolliert wuchern, aber völlig andere Ursachen. Selbst innerhalb der einzelnen Tumorentitäten gibt es sehr viele verschiedene Auslöser. Nur ein Bruchteil davon ist bislang verstanden. Das wachsende Verständnis hat in der Tat zu großen Fortschritten geführt. Heute können etwas mehr als die Hälfte aller Krebspatienten geheilt werden. Vor 30 Jahren war es gerade mal ein knappes Drittel. Aber: Krebs im fortgeschrittenen Stadium ist auch heute in den meisten Fällen noch nicht heilbar. Allerdings können Ärzte durch Kombination vieler Verfahren Krebs mittlerweile sehr häufig zu einer chronischen Langzeiterkrankung machen. Besiegt ist der Krebs damit jedoch nicht.

Foto: © Grönefeld/DKFZ / v.l.n.r.: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Anja Karliczek, Ministerin für Bildung und Forschung, und Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums bei der Pressekonferenz zum Start der "Dekade gegen den Krebs".

Hauptkategorien: Gesundheitspolitik , Berlin , Medizin
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