Spätfolgen von Krebs: Doppelt so hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Rund 80 Prozent aller krebskranken Kinder und Jugendlichen werden heute geheilt. Die meisten mussten dafür belastende Chemo- und Strahlentherapien durchlaufen. Dass dies nicht folgenlos bleibt, ist inzwischen klar: Während es früher ums nackte Überleben ging, rücken heute die Spätfolgen von sogenannten Langzeitüberlebenden in den Fokus der Wissenschaft.
Ganz neue Daten einer Mainzer Langzeitstudie zeigen nun insbesondere die kardiovaskulären Langzeitfolgen auf. Danach haben die Betroffenen ein erhöhtes Risiko einen hohen Blutdruck und eine Fettstoffwechselstörung zu entwickeln sowie ein beinahe doppelt so hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen – und zwar schon im jungen Erwachsenenalter.
Unter 40 und schon herzkrank
Im Durchschnitt traten Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen häufiger und früher (6 bzw. 8 Jahre) als in der allgemeinen Bevölkerung auf. Herz-Kreislauf-Erkrankungen zeigten sich bei 4,5 Prozent der Langzeitüberlebenden – in der Mehrzahl bereits bei unter 40-jährigen. Dies ist beinahe acht Jahre früher als in der übrigen Bevölkerung.
Im Rahmen der CVSS-Studie („Cardiac and vascular late sequelae in long-term survivors of childhood cancer“) untersuchten Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz zwischen Oktober 2013 und Februar 2016 insgesamt 951 Erwachsene, die als Kind oder Jugendlicher an Krebs erkrankt waren. Sie führten klinische Untersuchungen durch, erhoben Informationen über die damalige Krebstherapie und befragten die Probanden, ob sie rauchen und ob es in der Familie bereits Herz-Kreislauf-Erkrankungen gab. Die Studienteilnehmer waren zum Zeitpunkt der Untersuchung zwischen 23 und 48 Jahre alt. Deren Untersuchungs-Ergebnisse wurden mit denjenigen von 15.000 Menschen aus der übrigen Bevölkerung verglichen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass frühere Krebspatienten ein substantiell höheres Risiko haben, schon relativ früh klassische Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen zu entwickeln", meint Studienleiter Prof. Jörg Faber, Leiter des Kinderonkologischen Zentrums im Universitären Centrum für Tumorerkrankungen (UCT Mainz). Hinzu komme, dass bei fast 80 Prozent der Betroffenen – nämlich 207 von 269 – erhöhte Fettwerte erst im Rahmen der mit der Studie assoziierten klinischen Untersuchungen festgestellt worden seien und zuvor unerkannt geblieben waren. Ein ähnliches Bild habe sich bei Bluthochdruck ergeben.
Bessere Nachsorgeprogramme gefordert
„Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse gilt es nun, diese Spätfolgen möglichst zu vermeiden. Und das ist möglich“, meint Faber. Die Studienautoren plädieren in ihrer Publikation für Frühe Screeningprogramme, die insbesondere Bluthochdruck und erhöhte Fettwerte im Fokus haben, Diese Programme, so die Autoren, sollten fester Bestandteil einer strukturierten Krebsnachsorge werden – "unabhängig davon, um welche Krebsart es sich handelt.“
Dass sich aus einem Bluthochdruck eine Herz-Kreislauf-Erkrankung entwickelt, könnte dann frühzeitig etwa durch Umstellung des Lebensstils oder mittels Blutdruck-Medikamenten verhindert werden.
Die bisherige Nachsorge erfolgt lediglich für fünf bis zehn Jahre – und zielt hauptsächlich darauf ab, das erneute Auftreten der Krebserkrankung zu verhindern bzw. rechtzeitig zu erkennen.